Donnerstag, August 27, 2009

Falsche Aussagen von FPÖ-Landesrat Egger über Loewy

Hohenems (Österreich), 27.08.2009 – Der leicht als antisemitisch zu verstehende und unwahre „Exiljuden“-Sager des Vorarlberger Landesrats und FPÖ-Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl, Dieter Egger, kann die Partei nach 35 Jahren die bisher meist freiwillig gewährte Regierungsbeteiligung kosten.
Das Plakat und die Kritik
Im Zuge des Wahlkampfes zur Landtagswahl 2009 verwendet die FPÖ Plakate mit dem Slogan: „FPÖ: Elterngeld für heimische Familien. Dieter Egger“. Sie will damit laut Eggers Aussage die heimische Geburtenrate steigern, „nicht länger dabei zuschauen, dass wir aussterben und andere Mehrheiten heranwachsen“, und verhindern, dass das in einer nicht näher bezeichneten Studie angegebene Szenario eintritt, wonach im Jahre 2050 die Hälfte der Vorarlberger Kinder muslimisch sein sollen. Das Konzept dazu wurde im April vorgestellt, und der Slogan ist auch Titel einer von der FPÖ gestarteten Unterschriftenaktion, die als Druckmittel gegenüber der ÖVP dienen soll.
Dieses Plakat veranlasste Hanno Loewy, Obmann des Jüdischen Museum Hohenems, und sein Team am 12. August zu einem offenen Brief mit der Frage, was denn nun mit heimisch und nicht-heimisch gemeint sei. Und weiters, welche Personengruppen die FPÖ konkret von bestimmten Sozialleistungen ausschließen will, obwohl sie möglicherweise bereits lange legal hier leben und Steuern zahlen. Es wurde dazu eine Checkliste an unkonventionellen Beispielen angeführt. Auch meinte er: „Einheimisch kann man sein – heimisch kann man sich doch allenfalls fühlen.“
Egger erklärte am darauffolgenden Abend bei einer Live-Diskussion im Rahmen der Sendung Vorarlberg heute, dass für das Elterngeld dieselben Regeln wie beim Landes-Familienzuschuss gelten sollten. Also wären neben Österreichern auch in Vorarlberg hauptgemeldete Bürger des Europäischen Wirtschaftsraums, damit auch alle EU-Bürger, sowie Bürger der Schweiz bezugsberechtigt. Die FPÖ wirbt auf ihren Plakaten auch mit den Slogans „Schluss mit falscher Toleranz“, „Deutsch ist Pflicht“ sowie „Keine türkischen Dolmetscher“ [Anm.: an Krankenhäusern].
Die ÖVP kritisierte, dass die Forderungen der FPÖ unfinanzierbar seien. Von Reportern im Zuge der Pressekonferenz zur Bilanz der international besetzten Bregenzer Festspiele 2009 angesprochen, kritisierten auch der Brite David Pountney als Festspiel-Intendant und der Österreicher Günter Rhomberg als Festspiel-Präsident die Plakate der FPÖ scharf. Heuer stand die Oper Aida im Mittelpunkt, bei der es auch um Werte wie Toleranz, Freiheit und Offenheit geht. Harald Walser, Bildungssprecher der Vorarlberger Grünen, sagte, dies mache deutlich, welchen Schaden die FPÖ inzwischen dem Wirtschafts- und Kulturstandort Vorarlberg zufüge.
Der „Exil-Jude“ und direkte Reaktionen
Bei der Veranstaltung zum offiziellen Wahlkampfauftakt am 21. August 2009 in Hohenems, welcher von der Werbeagentur von Christoph Blocher insziniert wurde, bezeichnete Egger Loewy als „den Exil-Juden aus Amerika in seinem hochsubventionierten Museum“. Ihn gehe die Innenpolitik ebenso wenig etwas an wie Pountney. Loewy ist in Deutschland geboren, hat dort studiert und gearbeitet und lebt seit fünf Jahren in Hohenems. Egger und Loewy haben sich dort auch schon mehrmals persönlich getroffen.
Loewy stört an der Aussage primär, dass sie schlicht und einfach falsch ist, als beleidigend empfindet er sie weniger. Nebenbei schwingt mit dem Verweis auf die angeblich hohen Subventionen das antisemitische Ostküsten-Stereotyp mit. Wegen Beleidigung wird er wahrscheinlich nicht klagen. „Die Justiz beschäftigt sich doch nicht mit Absurditäten.“ Der Streit müsse politisch geklärt werden und nicht vor Gerichten. Er habe Egger „eigentlich für schlauer gehalten“. Aber der Sager bedeute auch eine Klarstellung dessen, was Egger unter „heimisch“ verstehe: „Ganz offenkundig nicht EU-Bürger wie Festspiel-Intendant David Pountney und hergelaufene Juden wie mich.“
Der regierende Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP) verlangte von Egger die Rücknahme seines Sagers. Als Egger dies ablehnte, kündigte Sausgruber an, die FPÖ nach 35 Jahren erstmals nicht an der Regierung beteiligen zu wollen. „Egger hat seine Chance zur Korrektur seiner Aussage nicht wahrgenommen, demnach werden wir nicht gemeinsam auf der Regierungsbank sitzen.“ Egger wiederum will sich nicht von der ÖVP mit einer Regierungsbeteiligung erpressen lassen. Und über seine Worte meint er: „Er ist ein Jude, das ist nichts Anrüchiges, genauso wie Christen Christen sind und Moslems Moslems sind, ist er ein Jude, damit unterstelle ich überhaupt nichts.“ Es sei doch „nichts Anrüchiges, ein Jude zu sein.“
Weitere Kritik der anderen Parteien
Der Vorarlberger SPÖ-Vorsitzende Michael Ritsch erklärte Eggers Aussagen seinen angesichts der Tatsachen einerseits eine „bewusste Lüge“ und zum anderen „unglaubliche antisemitische Entgleisung von einem Landesrat“. Der Sprecher der Vorarlberger Grünen, Johannes Rauch, erklärte, dass die FPÖ mit Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit Politik mache. „Den Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems, Hanno Loewy, als ‚Exil-Juden aus Amerika in seinem hochsubventionierten Museum‘ zu diffamieren und dem Intendanten der Bregenzer Festspiele die Berechtigung zur Kritik an den Wahlplakaten der FPÖ abzusprechen, überschreitet jede Grenze.“ BZÖ-Landesparteiobmann Christoph Hagen erklärt, dass ohne Rücksicht auf Anstand und Menschenwürde jedes Mal vor Wahlen von der FPÖ versucht werde, mit widerlichen antisemitischen rechtsextremen Wortmeldungen zu polarisieren. „Wir brauchen in Vorarlberg keine Hetze, egal ob von rechts oder links.“
Fritz Kaltenegger, (Bundes-)Generalsekretär der ÖVP, erklärte, dass Eggers Wortwahl „absolut inakzeptabel“ und auf das Schärfste zurückzuweisen sei. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) meinte, dass die Aussage niemals als Kavaliersdelikt zu sehen sei. Auch sei er froh darüber, dass die Vorarlberber Politik „so geschlossen“ reagiert habe. Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) schloss sich der Kritik Faymanns an und hielt die Vorgehensweise Sausgrubers für den richtigen Weg.
Reaktionen der FPÖ
Aus der eigenen Partei kommt nur vom scheidenden FP-Klubobmann im Vorarlberger Landtag, Fritz Amann, leichte Kritik. Er hält den Ausspruch für verbal überzogen, Egger habe sich sicherlich verbal jenseits der Grenzen bewegt. Dadurch, dass er eine Entschuldigung verweigere, entstehe riesengroßer Schaden, weil die Vorarlberger FPÖ in die braune Suppe geworfen werde und weil die Partei durch die Oppositionsrolle geschädigt werden könne. Er kritisierte aber auch die Reaktion der ÖVP, welche nicht zwischen Wahlkampf- und Regierungszeiten unterscheiden könne. Der Landtagsabgeordnete und Ex-Klubobmann Ernst Hagen sieht keinen Grund, den Satz zurückzunehmen oder sich zu entschuldigen. „Die Äußerung war nicht antisemitisch gemeint, Egger hat mit braunem Gedankengut nichts zu tun.“ Der Lustenauer Bürgermeister und ehemalige FPÖ-Landesparteichef Hans-Dieter Grabher spricht von einer „Bagatellsache“. „Es war pointiert formuliert, das muss man im Wahlkampf verkraften.“ Er vermutet hinter der nach seiner Sicht übereilten und unverständlichen Reaktion des Landehauptmanns eine gewisse Nervosität in der ÖVP. Er verweist am 24. August darauf, dass seit sieben Uhr Parteisitzung ist und seither unwahrscheinlich viel Zuspruch gekommen ist. Die Telefone liefen heiß, „aber ich habe noch keine einzige Stimme gehört, nach der Egger den Bogen überspannt hat.“
Herbert Kickl, Generalsekretär der FPÖ, unterstützt Egger. Dieser habe nur Einmischungen von außen zurückgewiesen, und dabei sei es „völlig egal, woher dieser Museumsdirektor herkommt“. Der Vorwurf, dass die Aussagen antisemitisch interpretierbar seien, sei „lächerlich“. FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache meint: „Es kann nicht sein, dass permanent nicht-österreichische Staatsbürger sich in unsere innenpolitischen Angelegenheiten einmischen. Das ist von Dieter Egger zurückgewiesen worden. Da lässt er sich auch nicht den Mund verbieten.“ Auch ist er der Auffassung, dass „Exiljude“ „jedenfalls kein Schimpfwort“ ist; es sei vollkommen egal, welche religiöse Einstellung jemand habe.
Justiz, Kommentare und Reaktionen
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch prüft, ob es sich um den Tatbestand der Verhetzung nach § 283 des österreichischen Strafgesetzbuches oder nach dem Verbotsgesetz handelt. Das Justizministerium sieht den Tatbestand der Verhetzung nicht gegeben, da die Aussage nicht gegen eine ganze Volksgruppe, sondern nur gegen eine einzelne Person gerichtet war. Die Staatsanwaltschaft will auch noch die angekündigte Anzeige von Bernhard Amann abwarten. Er ist Sohn des ehemaligen ÖVP-Bürgermeisters von Hohenems und Spitzenkandidat der zum dritten Mal bei der Landtagswahl antretenden Liste VAU-HEUTE. Er ist der Meinung, dass mit der Aussage auch Juden insgesamt als geldgierig gekennzeichnet werden sollten.
Der Politologe Peter Filzmaier wirft Egger einen „demokratiepolitischen Tabubruch“ vor und vermutet hinter der Aussage die Absicht, die eigenen Kernschichten zu mobilisieren, da die Landtagswahl nicht von Wechselwählern entschieden werde. Die ÖVP wird vermutlich – wie immer seit 1945 – die Landtagswahlen gewinnen. Der in Österreich lebende Schweizer Korrespondent Bernhard Odehnal schreibt im Tagesanzeiger (auch übernommen von der Basler Zeitung): „Die FPÖ hat ihre kostenlose Wahlwerbung bekommen und zieht sich nun, wie immer, in die Rolle des beleidigten Opfers zurück. […] Neu ist diesmal, dass der Wahlkampf von der Schweiz aus gemanagt wird: Für Werbung und Rhetorikseminare engagierte die Vorarlberger FPÖ die Dübendorfer PR-Firma Goal. Deren Geschäftsführer Alexander Segert gestaltet seit vielen Jahren die Kampagnen der SVP und ist für so ziemlich alle auffälligen Werbesujets der Blocher-Partei verantwortlich.“
Der Stadtrat von Hohenems, wo ein Viertel der Bewohner Zuwanderer sind, verabschiedete als Reaktion am 25. August eine Erklärung gegen Antisemitismus und Rassismus. Die vier FPÖ-Mandatare verließen vor der Abstimmung aus Protest den Sitzungssaal. Eine Gesellschaftspolitische Plattform der katholischen Kirche in Vorarlberg veröffentlichte am selben Tag die Stellungnahme „So nicht!“, die unter anderem vom Feldkircher Pastoralamtsleiter Walter Schmolly und von Caritas-Direktor Peter Klinger unterzeichnet wurde. Sie richtet sich gegen die „indiskutablen Entgleisungen“ von Egger sowie gegen Zeitungsinserate der FPÖ vom 24. August, in der mit „unzulässig verallgemeinernden und deshalb falschen Behauptungen“ vor einem starken Anstieg der muslimischen Bevölkerung in Vorarlberg gewarnt wird und welche ein Bild mit von hinten in einer fremden Landschaft fotografierten Kopftuchträgerinnen enthielt. „In einer Wahlauseinandersetzung darf und muss man zuspitzen, wer aber durch pauschale Diffamierungen Ängste und Abneigungen gegen eine Gruppe von Menschen schürt, der hat die Grenze des Tolerierbaren überschritten.“ Der Vizebundesobmann der FPÖ, Norbert Hofer, wies die Kritik zurück und sieht darin möglicherweise „eine rein parteipolitisch motivierte Aktion unter dem Deckmantel religiöser Werte“. Hofer betonte, dass seine Partei sich auch für das ungeborene Leben einsetze, welches wohl das wichtigste Anliegen von Christen in Österreich sei.
Der Vorarlberger Schriftsteller Michael Köhlmeier kritisierte Egger scharf: „Ein Mann, der so etwas sagt, ist für alle Zeiten diskreditiert. Der Mann ist erledigt.“ Ihm tue die Aussage auch deshalb weh, „weil Hanno Loewy so viel für diese Stadt getan hat.“
Fußnoten siehe >> Wikinews