Antisemitismus .de

Montag, Januar 27, 2020

75 Jahre nach Auschwitz - und Millionen wählen schon wieder eine braune Partei

Vor etwa 35 Jahren mein 1. Besuch der Gedenkstätte Auschwitz.
75 Jahre ist NICHT "lange her" - und NICHT "vorbei",

solange es Menschen gibt, die den Verrat an Menschen leugnen, die als Juden, als "Zigeuner" aus unserer Nachbarschaft mit Viehwaggons verschleppt wurden.

Und die Züge kamen leer zurück.

NICHT "vorbei", weil heute welche von Millionen gewählt,
denen das alles und KRIEG nur "Fliegenschiss" war.


WE REMEMBER.   WE REMEMBER.
Markus S. Rabanus      2020-01-27   für   www.antifaschismus.de 

Donnerstag, April 19, 2018

Zu antisemitischen Attacken auf Kippaträger

Forderung: Antisemitische Straftäter mit verdeckten Ermittlern fangen und einer Bestrafung mit Sonderpädagogik zuführen.

 Für Schlagzeilen sorgte der Selbstversuch eines israelischen Arabers in Berlin. Eine Kippa genügte, um den Zorn eines jungen Mannes auszulösen, der mit einem Gürtel auf den Kippaträger einzuschlagen.

 Bin gerne bereit zur ehrenamtlichen Unterstützung solchen Projekts, denn spätestens mit der Initiative-Dialog.de haben wir viel Erfahrung im läuternden Umgang mit Antisemiten.

Dienstag, April 17, 2018

TV-Tipp: HannahArendt-Verfilmung

Wer es nicht kennt, unbedingt anschauen, denn es gibt kaum Besseres, weil es kaum Gescheitere als Hannah Arendt gab: 19.05.2018 | 21:50 Uhr | ONE Hannah Arendt Spielfilm Deutschland/Frankreich/Israel/Luxemburg 2012 21.05.2018 | 01:20 Uhr | ONE Hannah Arendt Spielfilm Deutschland/Frankreich/Israel/Luxemburg 2012

Samstag, Dezember 09, 2017

"Antisemitismuskeule" ?

Etwas Gegenrede: Den Begriff "Antisemitismuskeule" verwende ich nicht und empfehle, ihn exklusiv Zeitgenossen mit archaischen Denkweisen zu überlassen & zu kritisieren:

Der Begriff ist zu albern für ein ernsthaftes Problem, zumal Kritik an Israel zu häufig mit Antisemitismus einhergeht. Und zwar derart häufig, dass sich nicht jeder Falschverdacht als "unbegründet" oder verleumdend abtun lässt, sondern zur Klärung veranlassen sollte.
Alles andere wäre auf dem Hintergrund deutscher Geschichte und weltweiten Antisemitismus unseriös.

Ohnehin lohnt Konsequenz ziehende Überlegung, ob es der Menschheit an Polemik fehlt oder an Verständigung.

Liebe B., zwischen "überdeutlich" und "platt" sollten wir streng unterscheiden, denn wenn "platt" Alltag wird, kann Vernunft nur verlieren. "Plakativ" hingegen sollten wir können, denn auch "Unplattes"/Kompliziertes muss anschaulich sein.
Mal gezeigt am Begriff "Antisemitismuskeule": Wenn dieser Begriff überhaupt Realitätsbezug hat, dann in Gegenrichtung zum unbedachten Sprachgebrauch. Und zwar 6-millionenfach.

Lieber @A..., wer unzutreffenden Antisemitismusvorwürfen begegnen will, überzeugt nicht mit Redewendungen, die von Antisemiten in Umlauf gebracht wurden. Noch perverser "Auschwitzkeule" und auch "Nazikeule", denn wem die Nazi-Vorlieben für Baseballschläger bewusst wäre, assoziiert Keulen anders.

Markus S. Rabanus 2017-12-08 (Facebook-Diskussion)

Montag, April 24, 2017

Ignaz Bubis +++ "Das letzte Gespräch"

Selbstverständlich ist die Dokumentation von Johanna Behre und Andreas Morell wichtig und richtig, aber es schmerzt, denn Bubis war so authentisch, dass er auch von besten Schauspielern überhaupt nicht zu schauspielern ist und auch nur schwer authentisch zu kommentieren, jedenfalls bei enthaltenen Originalaufnahmen. Wie Bubis in Rostock-Lichtenhagen.
Ich hätte damals zerspringen mögen - in meinem Sessel - vor meinem Fernseher, was mir über gesteigertes Temperament hinaus eher fremd ist, aber diese Momente in seinem Gesicht und den Worten inmitten dieser surreal-realen Welt - nicht dieser Idioten, die da zündelten, sondern dieses Staates wie aus Komplettversagern - und wir wussten noch nicht, dass es für niemanden politische, dienstrechtliche oder strafrechtlich Konsequenzen hatte, "weil verjährt".
Das ließ man verjähren. Und man hätte es ahnen müssen und hindern, als Bubis in Lichtenhagen ...

Bubis ist so ganz ähnlich wie Reich-Ranicki, viel zu gescheit für den flachen Streit und doch irgendwie deshalb Verlierer, weil ihnen ernst ist, etwas für wichtig zu halten, auch ohne genau zu wissen, ob und wie es geht - und was dann noch fast jeder anders versteht.
Das macht solchen Menschen Einsamkeit, die durch keine Gesellschaft zu trösten ist.

Und damals auf der anderen Seite Walser, dem es so leid tut, die gebotene Hand nicht angenommen haben, als es noch ging, weil zu eitel oder zu ehrlich tief verletzt von der Kritik vieler, die zuvor noch in der Paulskirche applaudiert hatten, wie sie aber doch immer tun, wenn irgendwie einer von ihnen.
Auch das macht untröstliche Einsamkeit. Über das eigene Ungeschick und einen entscheidenden Zeitpunkt verpasst zu haben - trotz aller Nachdenkerei.

Aber intellektuell alle überfordert vom Dilemma, die solcher Größenordnung eigen ist - was eben bei vielen die Neigung steigert zum Plätten und auch zum Instrumentalisieren.
Die wenigen Mensch', die das Dilemma an sich zu meistern versuchen, damit daraus kein Unfug wird, müssen offenbar scheitern, aber daran NICHT zu zerbrechen, wäre bestes Recht.
Das hätte ich ins Ohr flüstern mögen. Aber auch ich war damals eher ratlos, zu empört, wenngleich ich sofort Antifaschismus.de registrierte und über die Schuld schrieb.

Künftige Generationen und Historiker werden es leichter haben und es sich hoffentlich nicht zu leicht machen, denn was da "Zivilisationsbruch" genannt wird und war, war eben auch inmitten zivilisierter Menschen und Staaten - nicht unmöglich.

Freitag, Februar 24, 2017

Zum Berliner Holocaust-Mahnmal aus heutiger Sicht

Mit meinen Gefühlen weiß ich mich nie allein, aber sie sind deshalb nicht allgemein.
Wenn ich Gefühle überdenke, dann sind sie im Wandel. Auch nicht jeden Tag gleich ...

Was "die meisten" fühlen, glauben, denken, ist gewiss von politischer Bedeutung, aber eben auch Zeitgeist. Da war es nicht 72 Jahre lang gleich, sondern Jahrzehnte des Ringens, die Shoa überhaupt wahrzunehmen.
Und der Umgang damit war immer im Streit, denn es gibt eben auch viele Perspektiven: Die Opferperspektive, die Perspektive der Täter, der Mitläufer, der Ahnungslosen und Gleichgültigen, der Widerstandskämpfer, Nachgeborenen - und alle mit eigenen Vorstellungen, mit eigenem Empfinden für Schuld, Scham, Schmerz und Verantwortung.

Die Perspektivenvielfalt müsste jedem konstruktiv sein,
- wenn wirklich zugehört würde und die Aufrichtigkeit geprüft,
- wenn weniger irrwegige Gewissheit wäre, eine Endlösung für die "Endlösung" zu kennen, denn wir können immer dazu lernen
- und leichter, wenn wir riskieren, unsere Irrtümer in Texten festzuhalten,
- wenn wir die Texte wenigstens minimalistisch testen, wie es denn um die Gegenthese bestellt wäre.

Dem halten meine kritischen Texte vor dem Berliner Mahnmalsbau nicht stand. Schon erst recht den Erfahrungen, ob allein oder mit Berlin-Gästen im Holocaust-Mahnmal.
Und wir fanden stets wieder heraus, denn die Stätte hat viele "Auswege" - so anders als die Vernichtungslager. Immerhin.

Ist Versöhnung Ausweg? Das ist sie oft. Und entsprechend war meine Mahnmals-Forderung früher in gut gemeinter Stellvertretung für beiderlei Kreise, die sich jüdisch oder nichtjüdisch identifizieren, obgleich solch' Unterschied mir kein Gegensatz ist, den der Antisemitismus daraus zu Menschenasche machte. Und Wiedergutmachung unmöglich.
Denn wie wäre mir zumute, wenn mir ein Land die Lieben gemordet hätte und Jahrzehnte später die Hand zur Versöhnung reicht?
Wahrscheinlicher wäre ich empört, denn den Opfern gebührt der höchste Stellenwert, folglich das Schuldanerkenntnis dieser Unverzeihlichkeit- und die Zusicherung, dass es nie wieder passiert.

Die Welt braucht so viel Versöhnung und Vergebung, wenngleich begangenes Unrecht millionenfach bleibt - und wohl auch das Dilemma..

Machen wir jemanden tatsäch krank, wenn den Opfern höherer Stellenwert gebührt als den Befindlichkeiten von Menschen, die sich mit Fußball-Helden identifizieren dürfen, nicht aber mit Juden in Viehwaggons?
Hmm, sensible Menschen kann passieren, dass sie leiden. Dann fragt sich, ob Mitleid oder Selbstmitleid, denn daraus ist eher der Scheideweg von gesund und ungesund.

Mitgefühl ist häufig spontan, auch verlernbar, aber auch erlernbar. Opfern emotional und politisch Beistand zu leisten, ist ebenfalls erlernbar, macht Sinn. - Dann steht der Mensch als Mensch vor den Opfern einer Geschichte und Politik derer, denen "Identitäres" genetischer ist als es dem Intellekt sein dürfte. Und es schadet überhaupt nicht, im ganzen Leben auch daran immer wieder zu arbeiten. Zumal der Leichtigkeit bewusst, wenn wir im Frieden und einigem Wohlstand leben. Und in der Freiheit, dass wenn wir die Sonne genießen möchten und keinen etwaigen Menschheits-Verdruss durch Gedenken an Menschheitsverbrechen, dann eben einen Bogen um die Erinnerung machen, indem wir umschalten oder auf den Fernsehturm gehen.

Bereut hat den Besuch des Berliner Holocaust-Mahnmals von meinen Gästen jedenfalls noch niemand - und von mir vermutlich auch nicht den Eindruck, dass ich in Scham versunken wäre, sondern eher stolz darauf, dass sich mein Land der Schande dieses Verbrechens an derart prominenter Stelle mit doch recht umfänglichen Aufwand stellen.

Es ist doch so, dass der Shoa auf viele Weise gedacht werden kann, also auch darf. Konzeptvergleiche mögen lohnen, aber oft könnte stärkere Betonung auf Ergänzung oder einfach auf "Beitrag" und weniger an Konkurrenz festgehalten werden, in denen die Versionen entstanden.

Liebe Grüße aus Pankow!

Dienstag, Januar 17, 2017

NPD-Verbot erneut gescheitert (vorläufige Urteilskritik)

Das Bundesverfassungsgericht ließ den Verbotsantrag im Wesentlichen daran scheitern, dass die NPD zu bedeutungslos sei, um sich mit ihrer Programmatik durchsetzen zu können.
Solche Begründung überrascht und verblüfft rechtsdogmatisch, als dürfe auf Verfassungswidrigkeit nach dem Opportunitätsprinzip bloßen Ordnungswidrigkeitenrechts erkannt werden, als sei die Aberkennung von Parteiprivilegien gleichbedeutend mit Gesinnungsjustiz - und überzeugt auch in weiteren Entscheidungsgründen entweder gar nicht oder zumiindest auf Anhieb nicht.
Gleichwohl soll nach dem ersten Schock zunächst gründliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des höchsten Gerichts unseres Landes sein.
Dass sich die unterlegenen Antragsteller (Bundesrat, einige Bundesländer) nach der Urteilsverkündung zufrieden präsentierten, scheint mir nur unter dem Aspekt nachvollziehbar, die Niederlage verharmlosen zu wollen.
Dass viele Kommentare wichtiger Medien das Urteil gut heißen, setzt die Tradition von Fehleinschätzungen hinsichtlich des partei-organisierten Rechtsextremismus und des allgemeinen Rechtsextremismus fort.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-004.html

Dienstag, Juli 22, 2014

Frage zum 20. Juli (1944) +++

Hättest du dich am Attentat gegen Adolf Hitler beteiligt?

Das ist glücklicherweise und zugleich bedauerlicherweise bloß noch eine moralische Frage, obendrein spekulativ und akademisch, denn beweisen kann sich da niemand und muss auch nicht haften, wenn er jenseits seiner Sonntagsreden Neonazis vom "Verfassungsschutz" mit meinen Steuern finanzieren und morden lässt.

Ich würde gerne fragen:

Lieber Herr Gauck, hätten Sie Hitler getötet?
Liebe Frau Merkel, hätten Sie Hitler getötet?

Ich würde so gerne alle Richter fragen, alle Bundestagsabgeordneten, einfach alle fragen, die das Volk zu vertreten berechtigt sind.

Aber bitte nicht einfach nur antworten, dass es wahrscheinlich am Mut gefehlt hätte, denn das kann ohnehin niemand wissen oder prüfen.

Nach meinem Menschenbild ist kein Mensch zum Helden geboren oder verpflichtet, aber desto mehr ist es dann Pflicht, sich in Heldenfragen zu positionieren.

Markus Rabanus   Diskussion

Donnerstag, Juli 17, 2014

Muslimischer Antisemitismus

Lieber Adalbert, dass an sich Islam und Antisemitismus unvereinbar sind, ist auch mein Plädoyer, aber die Realität ist in sehr vielen Köpfen trotz Sure 5:48 usw. darauf aus, die Unterschiede in Geringschätzung und Gegensätze zu pervertieren, weshalb dann leider nicht stimmt, dass es "keinen muslimischen Antisemitismus geben kann", wie es im empfohlenen Artikel wenngleich gut gemeint heißt.
 Der Islam steht vor dem ähnlichen Problem wie das Christentum, sich mit dem Antisemitismus in den eigenen Reihen auseinandersetzen zu müssen. Zwar wird es richtig sein, den Antisemitismus als "unchristlich" und "unislamisch" zu verurteilen - oder als "undeutsch" aus der Perspektive eines Deutschlands der Dichter und Denker anstelle der Henker, aber niemand soll kleinreden, was aus den eigenen Kreisen kommt und genau dort seine hauptsächlichen Kräfte ideologisch und personell sammelt.
 Es ist wie mit dem Terrorismus, der gewiss ebenfalls nicht mit dem Islam vereinbar ist, aber mit dem Schlachtruf "Allah ist groß" Tag für Tag in vielen Regionen oft Hunderte Menschen zerfetzt >> Es geht alle an, aber wer könnte sich ideologisch leichter mit dem muslimischen Terrorismus auseinandersetzen als die vernünftigen Muslime? - Und viele tun es. Doch es darf nicht genügen, was Tag für Tag nicht genügt.
 Desgleichen allerdings mit dem "Krieg gegen den Terrorismus", soweit mitverschuldet oder sobald die Notwehrlinie überschritten und der Tod Unschuldiger in Kauf genommen wird, die nicht getötet würden, wenn es die eigenen Kinder wären. Und auch das wäre noch kein Beweis, sondern bestenfalls ein Indiz für das Maß an Menschlichkeit.
 Wir haben zu tun, vor allem gegen die Unvernunft und den Hass in den eigenen Kreisen, denn dort haben wir die größte Verantwortung und das leichteste Gehör, wenngleich oft die uns schlimmsten Feinde.

Montag, April 14, 2014

USA: Ku-Klux-Klan-Anhänger ermordet drei Menschen

Am Samstag erschoss ein ehemaliger Elitesoldat und führender Ku-Klux-Klan-Geheimbündler zunächst einen 14-Jährigen und dessen Großvater vor dem jüdischen Gemeindezentrum von Kansas City, nachdem er zuvor gefragt habe, ob unter den Anwesenden Juden seien. Anschließend fuhr er zu einem jüdischen Seniorenheim und erschoss eine Frau. Weitere Personen entgingen seinen Schüssen nur knapp. Bei seiner Verhaftung habe der Attentäter "Heil Hitler" und antisemitische Parolen gerufen.
Laut Medienberichten war der inzwischen 73-Jährige im Jahr 1979 wegen rassistischer Vergehen aus der US-Militär-Eliteeinheit „Green Berets“ entlassen worden und den Behörden als Rechtsextremist bekannt, was offenbar kein Grund war, ihm das Waffenbesitzrecht zu entziehen.

Hinweis: Der Ku-Klux-Klan ist auch in Deutschland noch immer nicht verboten, obgleich es personelle Verbindungen dieser Organisation zu der NSU-Mordserie gibt.

Montag, Dezember 23, 2013

Zur kriminellen Personalie an der NPD-Spitze

Falls Pastörs ausnahmsweise nicht auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes stehen sollte, müsste das NPD-Verbot nun einfacher sein, denn die NPD leistete sich nur selten einen Vorsitzenden, der so offen seinen gewaltbereiten Antisemitismus volksverhetzend zur Schau stellte, dafür dann zwar auch "bestraft" wurde, aber "auf Bewährung", was immer sich die Richter darunter vorgestellt haben mochten.

Mittwoch, Dezember 11, 2013

Zum NSU-Prozess und vier Forderungen

Noch mehr Sumpf >> http://www.tagesschau.de/inland/nsulka100.html

Ganz sicher bin ich mir der Verantwortung bewusst, dass es uns mit der Domain "Antifaschismus.de" obliegt, den Fortgang des NSU-Prozesses zu dokumentieren und kommentieren, aber das Versagen auf allen Ebenen und die Vertuschung hat Ausmaße, die von hier aus einfach nicht zu erhellen sind, so dass einzig die Forderungen bleiben:

1. Schluss mit der unsinnigen "Beobachtung" durch die Verfassungsschutzämter, die allenfalls zu Behinderung der Strafverfolgungsbehörden führten, Verjährungen ermöglichten, Strafvereitelung waren, weitere Straftaten ermöglichten.

2. Schluss mit dem Einsatz von "V-Leuten", die zur rechtsextremistischen Szene gehören, denn solche Strolche erzählen allenfalls Märchen und werden dafür dann auch noch bezahlt.

3. Statt der ausufernd geheimdienstlichen Ineffizienz braucht es konsequente Strafverfolgung durch Polizei und Justiz, erforderlichenfalls unter Einsatz verdeckter Ermittler.

4. Und Schluss mit albernen Urteilen, die Wiederholungstäter (z.B. NPD-Vize Udo Pastörs) mit Strafen "zur Bewährung" begünstigen, weil unsere Justiz entweder die rechtsextremistische Gefahr unterschätzt, billigt oder aber Angst davor hat, mit den Familien ins Fadenkreuz rechtsextremistischer Terroristen zu geraten.

Donnerstag, August 22, 2013

Zum NSU-Abschlussbericht

Der Abschlussbericht umfasst mehr als 1.000 Seiten, wird hoffentlich interessanter zu lesen sein als das Zuhören bei der heutigen Pressekonferenz, die es zwar mit viel harscher Kritik an Strukturen und Personen der Sicherheitsapparate nun in die Schlagzeilen schafft, aber nur wenig davon in der gebührenden Grundsätzlichkeit vorbrachte.

Den Mühen des Ausschussvorsitzenden Edathy und seiner KollegInnen gebührt Respekt, aber unter dem Strich wird für die breite Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, dass die rechtsterroristische Mordserie nebst "Ermittlungspannen" ein Einzelfall seien, wie es beispielsweise SPIEGEL.de per Titel als "historisch beispielloses Desaster" zusammenfasst, obgleich allenfalls die Dimension der öffentlichen Wahrnehmung "historisch beispiellos" ist, denn der Rechtsterrorismus ist ein Dauerproblem und die "Ermittlungspannen" systemisch schon leider auch dadurch, wer sich überhaupt solchen Berufen zuwendet, per Konformismus Bequemlichkeit anstrebt, den Rechtsextremismus als Schandfleck vertuscht, mitunter den Rechtsextremismus als Korrektiv gegen den Linksextremismus und Islamismus fehlinterpretiert oder sogar vertritt anstatt die freiheitliche Ordnung tatsächlich auch für diejenigen zu schützen, die unterprivilegiert zu den Opfern des Rechtsextremismus werden.

Mittwoch, August 21, 2013

Zur Kranzniederlegung in Dachau

FB-JüdischeAllgemeine hat geschrieben: "Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besucht heute die KZ-Gedenkstätte Dachau. Die Kanzlerin wird einen Kranz am Internationalen Mahnmal ablegen, zwei historische Räume besichtigen und mit Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslagers zusammentreffen."
Auf den Kranzschleifen müsste im Kleingedruckten stehen: "Wer in gegenwärtigen Zeiten nicht gegen das Unrecht der eigenen Horden zu streiten bereit ist, wäre dazu vermutlich erst recht nicht in den Holocaust-Zeiten bereit gewesen." - Der Frage daraus haben sich ausnahmslos alle Menschen zu stellen.

Freitag, Juli 12, 2013

NS-Vergleiche - die Neunte

Leider sind ältere Foren gehackt, so dass ein Abgleich mit früherem Kurzgedachten mühsam wäre, aber es ist wieder mal Anlass zur Erörterung.

 Rolf Hochhuth wird wegen seiner NS-Vergleiche in seinem Offenen Brief an Merkel kritisiert.

 Dazu zweierlei:

 1. Erst recht, wer den Nationalsozialismus erlebte/überlebte, ob verbrechensbeteiligt oder im dünnen Widerstand, geistig-moralisch zu verarbeiten hat und das dann versuchte, dem drängen sich NS-Vergleiche allemal eher und anders auf als anderen, denen es bloß Lektüre zum Gruseln ist.

 2. Wer glaubt, auch nur irgendetwas aus dem NS gelernt zu haben, dann aber so tut, als sei es mit Erinnerung an die Verbrechen und Kranzniederlegung getan und nicht mit der gewissenhaften Anwendung auf alles - und zwar auch auch das Verdächtige und Ähnliche, woraus sich der NS rekrutierte, der reduziert und verharmlost den NS auf das Level eines abgeschlossenen Geschichtskapitels deutscher Urheberschaft, was aber seiner Wiederholbarkeit in anderem Gewand und anderer Dimension nicht annähernd begegnet.

 Hinter solcher These bleibt Hochhuth in seinem Offenen Brief an Merkel deutlich zurück, sondern zieht lediglich den einen wichtigen Schluss, dass die Loyalitätsgrenze gegenüber der staatlichen Autorität erreicht sein muss, sobald die staatliche Autorität UNRECHT begeht.

 Wer Hochhuth ob solch NS-Vergleichs der NS-Verharmlosung verdächtig machen will, der macht sich mir verdächtig, staatliches Unrecht schützen zu wollen. Drum hier der wieder passende NS-Vergleich: Exakt solche Leute waren massenhaft Basis und Schlachterhände auch des NS-Regimes.

Ist das nicht übertrieben und inflationiert den Umgang mit Begriffen?

Nein, denn so sehr viel anders waren die Millionen Hitler-Wähler damals nicht als die Menschen heute, ob in Deutschland oder anderswo. Genau das gilt es leider zu verstehen oder zu widerlegen, z.B. darin, wann wem welche Loyalität endet. Verstehen und machen das Merkel, Putin, Obama usw.  nicht, ist keine Veranlassung davon auszugehen, dass es die Völker entschieden anders sehen.

Allerdings darf jeder NS-Vergleich nur Verhältnisse, Verhaltens- und Denkweisen, Personen treffen, wenn er auch zutreffend und hinreichend verständlich ist - möglicherweise sicherer im intellektuellen Diskurs als im allgemeinen Zank um politische Vorteile, weil die Unterscheidung zwischen Vergleichen und Gleichsetzungen für vielen weder geläufig noch ausreichend ist, zumal politischen Idioten noch jeder politische Gegner sogleich ein "Faschist" oder "Kommunist mit Gulag" ist, aber wir alle müssen verstehen, dass der NS weder vom Himmel fiel, noch aus der Hölle kam, in die er führte, sondern aus vielen Fehlerteilchen war, die für den NS durch einfachste Weiterung und Kombination instrumentalisiert werden konnten, so dass der NS-Staat "funktionierte".

Ausschweifung bzw. Gelegenheit macht Sprüche:

 Wem kein Blut an den Händen ist, wäre vielfach nicht Charaktereigenschaft, sondern Bedingungsbrei, denn zum Prinzipiellen braucht es mehr als bloßes Glück, nicht zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
 Zum Prinzipiellen braucht es mehr als bloße Täter- oder Opferperspektive, mehr als die Zeugenperspektive, sondern den Versuch, jede dieser Perspektiven zu verstehen und zu beurteilen.

 Die Kontinuität der geistig-moralischen Unterentwicklung ist ein Grund, warum sich viele so schwer mit der "Vergangenheitsbewältigung" tun, während es sich andere zu leicht machen können, indem sie Gemeinsamkeiten verkennen, die sich nicht in Verbrechen realisieren konnten, weil mit anderer Vorgeschichte oder überhaupt nur Nachkriegsgeschichte in einer mit Prosperität prägenden, aber keineswegs final gesicherten Region, weshalb auch für demokratische Gewissheiten keine Bestandsgarantie deklariert werden kann, allenfalls als Hoffnung, sofern durch Aktivität substantiiert.

 Aber der Unterschied war immer und über alle Systemgrenzen hinweg, ob Untertanengeist und Konformismus oder kritischer Geist und solidarischer Mut in den Köpfen ist, sehr individuell auch in alle absehbare Zukunft, obgleich sich ausreichend Vernunft für alle Bahn brechen konnte, aber es wird stets der Streit mit den Antrieben bleiben, die der Selbstgerechtigkeit den Vorzug gegenüber der Gerechtigkeit geben.

Donnerstag, Juli 04, 2013

Zur Weigerung der Eichmann-Aktenöffnung

Bezug >> http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16408

Unfasslich, was sich Staaten einbilden, der Welt und den eigenen Bürgern unter dem Vorwand "Nationaler Interessen" an Information vorenthalten zu dürfen und damit Spekulationen zu provozieren, denn so sieht es eben genau danach aus, dass die damaligen BND-Chefs eben doch mit den NS-Schlächtern so sehr verbandelt waren, dass auch der Kalte Krieg deren postfaschistische Karrieren nicht rechtfertigen können, wie es große Teile der westdeutschen Geschichtsschreibung tun.

Mittwoch, März 20, 2013

NPD erhielt 20 Mio.€ aus Steuermitteln

Unser Land duldet noch immer Rassismus und Gewalt als Geschäftsmodell: Allein seit 2003 erhielt die NPD 20 Mio.€ aus Steuermitteln, berichtet die ARD-Tagesschau.

Montag, März 18, 2013

Dümmer geht nimmer: FPD gegen NPD-Verbot

Mit dem Spruch "Dummheit kann man nicht verbieten" begründete Vizekanzler und FDP-Chef Philipp Rösler seine Absage an einen regierungsseitigen NPD-Verbotsantrag. Dass es die Dummen dann wenigstens zu beschützen gilt, scheint ihm so wenig geläufig, wie das, worum es bei der NPD tatsächlich geht: Eine nationalsozialistische Partei zu verbieten, deren Aktivitäten auf die Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzielt. - Rösler hat zehn Jahre Debatte verpennt, aber wahrscheinlicher ist, dass er sich auf dem Trittbrett der größeren Regierungspartei bloß mal wieder wichtig machen will.

Samstag, März 16, 2013

Schily "übernimmt Verantwortung" für "Ermittlungspannen"

Solche "Verantwortungsübernahme" kann er sich sparen, denn auch Schily hat damals nicht ansatzweise die Gefahren des rechtsextremistischen Terrorismus kapiert, obgleich er als ehemaliger Anwalt linksextremistischer Extremisten viel sensibler hätte sein müssen, wie Terrorismus funktioniert. Aber es waren ihm halt immer nur Prestigejobs, unseriös bis in die Fußnägel und rechtsbrüchig, wie er als Innenminister und Jurist zum Hacken rechtsextremistischer Websites aufrief und rechtsstaatliche Maßnahmen vernachlässigte, sich mit einem Baseballschläger den Pressefotografen "humorvoll" ein aktivistisches Image verschaffte und den NPD-Verbotsantrag in den Sand setzte. Das ist die unverzeihliche Bilanz seiner Ich-AG, zu der es dann auch passte, "Nebeneinkünfte" unter dem Deckmantel der anwaltlichen Schweigepflicht einzustreichen. Wer sich von Reden und Maßanzügen blenden lässt, hat freilich keine bessere Politik verdient, sondern bekommt dazu noch ein bisserl Terrorismus, von dem sie kaum merken, solange nicht selbst betroffen.
Um es deutlich zu sagen: Es waren keine "Ermittlungspannen", die uns die Mordserie bescherten, sondern das systemische Versagen von Geheimdiensten und der sie "kontrollierenden" Politik, die den polizeilichen Ermittlern und der Justiz Indizien und Beweise unterdrückten, weil sie mit Rechtsextremisten als vermeintlichen "V-Leuten" kooperierten und das noch immer tun unter dem Deckmäntelchen von "Zeugenschutzprogrammen".

Freitag, März 01, 2013

DVU-Gründer Gerhard Frey gestorben

Bereits am Dienstag vergangener Woche verstarb der Rechtsextremist Gerhard Frey im Alter von 80 Jahren. Frey war Sohn reicher Kaufleute, erbte beträchtlichen Immobilienbesitz (heutiger Wert angebl. 250 Mio.€), in denen ihm all seiner ausländerfeindlichen Propaganda zum Trotz Mieten von Einwanderern sicherlich gelegen kamen, zumal aus manch einer Vermieterperspektive mit weniger hohen Ansprüchen an die Wohnverhältnisse.
Frey war zunächst in von den Westalliierten finanzierten Antikommunismuspresse journalistisch tätig, machte sich nach Wegfall der Subventionen verlegerisch selbständig und fand in der Nazi-Szene das Publikum für seine "Deutsche National-Zeitung", die in den Siebzigern mit Titeln wie "Die Auschwitzlüge" Auflage machte.
Frey ist Gründer der rechtsextremistischen DVU, war ca. 20 Jahre deren "Vorsitzender", bevor er sie vermutlich aus Altersgründen zur Fusion mit der NPD frei gab, wogegen überraschend dann doch einige DVU-Kreisverbände die Gerichte anriefen, teils "mit Erfolg", aber ohne Wirkung.
Auch seine Partei dürfte neben der staatlich-offiziellen Parteienfinanzierung erhebliche Mittel von den Verfassungsschutzämtern erlangt haben, selbstverständlich "steuerfrei" als Gegenleistung für die Märchenstunden von sogenannten "V-Leuten".

Freitag, Dezember 28, 2012

Winfried Hassemer irrt in Sachen NPD-Verbot

Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer schaffte es in die Schlagzeilen mit der beachtlich rechtsfernen Behauptung, ein NPD-Verbot könne vor dem EGMR scheitern, da die NPD zu geringe Wahlerfolge habe.
Das ist falsch, denn die Opportunitätsabwägung, die solchen Entscheidungen zwar unvermeidlich eigen ist, kann ihren Anknüpfungspunkt nicht darin haben, wie viele Menschen sich einer verfassungsfeindlich agierenden Partei anschließen, sondern ob solche Möglichkeit überhaupt geduldet werden darf. Folglich sind nicht Größe und Wahlergebnisse relevant, sondern der Grad der Verfassungsfeindlichkeit einer solchen Partei nach ihren Zielen und/oder dem Verhalten ihrer Anhänger, wie es ausdrücklicher Wortlaut des Grundgesetzes ist, siehe >> dialoglexikon.de/art21.htm Abs.2

Aber Hassemers Vortrag ist auch verfahrensrechtlich falsch, denn ohne Überlegung, ob eine EGMR-Klage gegen ein Parteiverbot überhaupt zulässig wäre, zumal Parteienrecht und Vereinigungsrecht a) keine Deckungsgleiche haben, b) das Grundgesetz spezifisch antifaschistische Lehren aus der Geschichte zog und diesbezüglich dauerhafte Geltung beansprucht >> dialoglexikon.de/antifaschistische_verfassungsordnung.htm

Der NPD-Vorsitzende Holger Apfel, ansonsten heulend, dass Deutschland nicht Herr des eigenen Landes sei, begeistert sich schon mal vorab für eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Interview v. 14.12.2012), unterstreicht somit einmal mehr das taktische bzw. heuchlerische Verhältnis seiner Partei zum Recht allgemein und Grundgesetz im Besonderen. Und möglicherweise braucht Holger Apfel Nachhilfeunterricht >> Art.17 EMRK

Auch die Verschiedenheit von Lippenbekenntnis zur Bekenntnisfreiheit gilt es in einem Verbotsantrag deutlich zu machen und zwar mit dem Nachweis, dass die NPD wie einst die NSDAP eine Partei ist, die unser als "Judenrepublik" beschimpftes Gesellschaftssystem "politisch eiskalt ... zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu Boden ringen" will, wie es Udo Pastörs als NPD-Fraktionsvorsitzender des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern am 25.2.2009 verkündete, siehe >> dialoglexikon.de/pastoers.htm

Wenn die Rechtsprechung solche Volksverhetzer "laufen lässt", wie es per "Bewährungsstrafe" passierte, wenn dann die Politik zuschaute, nicht in die Nebenklage ging, wie soll dann ein NPD-Verbotsverfahren funktionieren? Worauf soll sich der Antrag gründen, wenn nicht genau darauf, was sich ihre Top-Funktionäre leisten, wenn nicht genau darauf, dass die NPD mit Wissen und Wollen ihrer Mitglieder jede Menge Kriminelle und NS-Fans in den Reihen und in der Führung haben?

ES GIBT KEINEN GRUND ZUR EILE, wie es die mediale Debatte und die Profilierungsroutinen der Parteien suggerieren, sondern reichlich Gründe zur Gründlichkeit, die allerdings auch die Versäumnisse der Parteien offenbaren würde. Genau das möchten die Unionsparteien, FDP, SPD und GRÜNE vermeiden.
Und die Linkspartei? Über dürftiges Antifaschisten-Geschwafel als vermeintlichem Teil der Kapitalismuskritik hinaus wird man auch dort kaum konkret, denn wer das macht, begibt sich ins Fadenkreuz dieser auf "Bewährung" freien Volksverhetzer und Möchtegern-Breiviks.

Der einzig vernünftige Weg aus dieser Sackgasse des Versagens ist die breite, öffentliche Debatte über die Erfahrungen aller Teile der Gesellschaft mit der NPD, denn wer die primären Zielgruppen der rechtsextremistischen Hasstiraden erst und nur dann abfragt, um sich nach bekannt gewordenen Mördereien die Hände der Untätigkeit in Unschuld zu waschen, soll eigentlich nicht mitreden dürfen, sondern zunächst mal zuhören müssen. - Aber unsere Politiker sind derart "bürgerverdrossen", dass sie alles tun, um einen seriösen Dialog zu vereiteln, dann auch das NPD-Verbot vereiteln.

Freitag, November 09, 2012

Greifswald: Neonazis stahlen "Stolpersteine"

Die in Greifswald von der Initiative des Kölner Künstlers Günter Demnig verlegten "Stolpersteine" wurden in der Nacht zum heutigen Gedenktag an die antisemitischen Pogrome 1938 aus ihren Verankerungen gebrochen und gestohlen. Für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wurde eine Belohnung in Höhe von 2.500 € ausgelobt. Stichwort: www.dialoglexikon.de/stolpersteine.htm

Mittwoch, September 12, 2012

Streit mit der Jüdischen Allgemeinen

Die JA kolportiert kritiklos Antisemitismus-Vorwürfe gegen die us-amerikanische Philosophin Judith Butler. So auch ein Foto und Zitate des Aktionsbündnis »Kein Adorno-Preis für Antisemiten«, eine Stellungnahme aus dem Zentralrat, in der Butler als "bekennende Israel-Hasserin" bezeichnet wird, ...

Solch Vorwurf gegen Judith Butler ist wie der Antiamerikanismus-Vorwurf von Amerikanern gegen Amerikaner, die den Irakkrieg ablehnten. Es ist leider ganz normal, Kritik aus den eigenen Reihen als Verrat abzustempeln. Das halte ich dann für den wirklichen Verrat.
@JA, gründlicher überlegen, ob für Israel tatsächlich solche Politiker die besten Politiker sind, wenn sie den Palis so ganz und gar nicht gefallen, wie es Herrn Netanjahu mühelos gelingt. Und wenn er den Präsidenten Abbas mit dessen Siedlungsstopp-Forderungen und Palästinenser-Staat scheitern lässt, wem werden die Palästinenser dann zulaufen?
Wer Verhandlungen davon abhängig macht, dass der Terror aufhört, gibt dem Terrorismus die Politik in die Hand. Das ist die Logik, offenbar noch immer von vielen nicht verstanden.

MfG Markus Rabanus

ps: Mein Problem mit der JA ist, dass sie immer reaktionärer wird. Und das ist bitter, denn sie wird dadurch nicht ihrer politischen und journalistischen Verantwortung gerecht, die sich aus ihrer medialen Alleinstellung herleitet.
  • Diskussionen
  • Sonntag, Juli 15, 2012

    Beschneidungsverbot vs. Religionsfreiheit?

    Hätten mich meine Eltern gefragt, hätte ich vielleicht "Ja" gesagt, aber würde ich heute gefragt, so wäre meine Antwort: Nein.
    Das ist kein Groll, zumal verschmerzt, sondern Verständnis, aber Missbilligung, die wenig bewegt, solange die Stimmen der Betroffenen schweigen, als ginge es darum, die eigenen Eltern strafrechtlicher Ungnade auszusetzen, denn auch das wäre dem Kindeswohl abträglich und im Vergleich zur Mädchenbeschneidung noch weniger verhältnismäßig - anders je nach Kulturkreis, denn der Mehrheit gebührt Respekt, sofern sie sich um Respekt gegenüber Minderheiten müht, worauf in zivilisierten Gesellschaften zu achten ist.
    Falls aus Gründen solchen Respekts demnächst die oberste Justiz oder der Gesetzgeber die Beschneidung ausdrücklich legalisiert, so erübrigt das nicht den Streit, denn das Elternrecht soll das Kindesrecht auf körperliche Unversehrtheit achten und die Religionsfreiheit soll dem Kinde nicht vorgreifen dürfen.
    "Es geht niemanden an", wäre unzivilisiert, denn es geht immer alle an, wenn mit Menschen wehrlosen Menschen tun, wie es eben den Kindern geschieht, sicherlich "gut gemeint", aber schlecht überlegt.

    Hintergrund: Das Kölner Landgericht hat ein amtsgerichtliches Urteil bestätigt, wonach die Beschneidung den Straftatbestand der Körperverletzung erfülle. Die Urteile werden seitens der religiösen Vereinigungen scharf verurteilt. Politiker von Regierung und Opposition stellten rasche Klärung in Aussicht, die Beschneidung straflos zu stellen.

    Die Frankfurter Rundschau kommentiert: „Die Beschneidung - mag sie nun medizinisch sinnvoll sein oder nicht - ist ein geringfügiger körperlicher Eingriff, .." - Dem Autor empfehle ich, sich der Prozedur zu unterziehen, um beurteilen zu können, ob der Eingriff "geringfügig" ist, wenn die Betäubung nachlässt.

    Markus Rabanus >> Dialoglexikon Beschneidung

    Samstag, April 28, 2012

    Piratenpartei-Beschluss vs. Holocaustleugnung

    www.piratenpartei.de : Die Piratenpartei hat auf ihrem Bundesparteitag eine Erklärung gegen die Leugnung und Relativierung des Holocaust verabschiedet. Die etwa 1500 Mitglieder sprachen sich mit überwältigender Mehrheit – der Versammlungsleiter konnte keine einzige rote Stimmkarte im Saal erkennen – für folgenden Antrag aus: “Die Piratenpartei Deutschland erklärt, dass der Holocaust unbestreitbar Teil der Geschichte ist. Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren widerspricht den Grundsätzen unserer Partei.”

    Donnerstag, April 05, 2012

    Grass, Israelkritik und Antisemitismus

    Da "bricht" Grass sein Schweigen. Theatralisch, sonst wäre es überhört, denn Kritik an israelischen Kriegsdrohungen gibt es immerhin schon. Mit welchen Argumenten und ob erst mit 84, würde ich ihm bestreiten, aber der Streit über seine Intention bleibt Spekulation, wenn auch stets interessant im Land der Hitler und Henker, das typischerweise die ersten Konzentrationslager der Opposition vorbehielt - darunter auch einigen Dichtern und Denkern.
    Zu denen gehörte Grass damals noch nicht, sondern überlebte jung die Heimat im Untergang, fand wohl erst im Frieden die Ursache zur Wirkung einschließlich Holocaust, der im gewesenen Alltag begann.
    Wen solch Krieg und Massenversagen der Erwachsenenwelt nicht wenigstens ein Stück weit traumatisiert, ist suspekter als ein Grass in seiner Holperigkeit. Kurzum: Wenn Deutsche sich schwer tun mit Kritik an Israel, dann ist mir das lieber als wäre es umgekehrt.

    Markus Rabanus Facebook

    Montag, Januar 23, 2012

    Studie: Antisemitismus in der Gesellschaft tief verankert

    Judenfeindliche Einstellungen sind nach Einschätzung von Experten in "erheblichem Umfang" in der deutschen Gesellschaft verankert. Das geht aus dem Antisemitismus-Bericht hervor, ... mehr auf Tagesschau.de

    Montag, Dezember 19, 2011

    Wolfgang Herles und die ideologische Brandstiftung

    Im ARD-Talk von Jauch meinte Wolfgang Herles, die Islam-Bemerkung (2010) des Bundespräsidenten sei "unterkomplex" gewesen, denn wenn der Islam zu Deutschland gehöre, dann auch Deutschland zum Islam gehöre, was offenkundiger Unfug sei. Es regte sich kein Widerspruch, aber das gehört nachgeholt:

    Hallo Herr Herles, an solch vermeintlichen Unfug sind wir doch in Sachen Christentum und seit Auschwitz auch mit dem Judentum bestens gewöhnt. Entweder vermeintlichen Unfug für keinen oder für alle! Wer den Islam ausgrenzt, grenzt Muslime aus. Das ist die ideologische Brandstifterei, die Muslimen an den Kragen geht - und vielen, die davor warnen und Integration (einschließlich des Islam als gleichberechtigte Religion) fordern.

    Markus Rabanus >> Diskussion

    Mittwoch, November 30, 2011

    ZJD-Presseerklärung zum Staatsvertrag

    Die Bundesregierung und der Zentralrat der Juden in Deutschland haben am Mittwoch, den 30.11.2011, den zwischen ihnen zuvor ausgehandelten modifizierten Staatsvertrag unterzeichnet. Der Staatsvertrag regelt die Förderung der Tätigkeit des Zentralrats durch die Bundesregierung. Nach dem neuen Staatsvertrag wird die Arbeit des Zentralrats ab dem Jahre 2012 mit zehn Millionen Euro jährlich statt, wie bisher, fünf Millionen Euro unterstützt.

    Wie der Präsident des Zentralrats, Dr. Dieter Graumann, erklärte, spiegelt der neue Etatrahmen den erheblich gewachsenen Aufgabenbereich des Zentralrats wider. Über seine Rolle bei der Vertretung der jüdischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik hinaus, ist der Zentralrat auch bei der Integration von Zuwanderern, Ausbildung von Rabbinern, Kantoren und Religionslehrern, jüdischen Studien und auf anderen Gebieten tätig. Eine herausragende Rolle spielt die Jugendarbeit. „Nur eine erfolgreiche Einbindung der Jugend ins jüdische Leben wird unsere Zukunft garantieren", erklärte der Zentralratspräsident. Der Zentralrat baut auch sein Engagement im interreligiösen Dialog und in der Öffentlichkeitsarbeit aus.

    „Der Zentralrat", so Dr. Graumann, „entwickelt sich zu einem jüdischen Kompetenzzentrum, das sowohl in der jüdischen Gemeinschaft als auch in der deutschen Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle spielt. Der neue Staatsvertrag zeigt, dass auch die Bundesregierung diese unsere Rolle positiv bewertet. Dafür will ich mich bedanken. Ich selbst habe mich während des letzten Jahres mit viel Energie für den neuen Vertrag eingesetzt. Ich freue mich, dass unsere Bemühungen zum größten Verhandlungserfolg in der Geschichte des Zentralrats geführt haben."

    Donnerstag, Mai 12, 2011

    Strafverfahren gegen John D. wegen Beihilfe zum Mord

    Die 1. Strafkammer (Schwurgericht) des Landgerichts München II hat den Angeklagten John D. (91) am 12.05.2011 wegen Beihilfe zum Mord in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.
    Der Haftbefehl wurde aufgehoben, weil die Gefahr, dass sich der Angeklagte dem Verfahren entziehen könnte, mit der Verkündung des Urteils entfallen ist und eine Fluchtgefahr hinsichtlich des staatenlosen Angeklagten aus der Sicht der Kammer nicht besteht.
    Zur Begründung hat der Vorsitzende der Strafkammer im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
    Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme steht für die Kammer ohne Zweifel fest, dass der Angeklagte von März 1943 bis September 1943 als Wachmann (Trawniki) im Konzentrationslager Sobibor an der Ermordung von 28060 Menschen mitgewirkt hat.
    Hierbei ging die Kammer davon aus, dass die Tötungen aus niedrigen Beweggründen (Rassenhass) erfolgten und im Hinblick auf die konkreten Umstände der Tötungen mittels Einleitung von Motorabgasen in die Gaskammern auch grausam waren.
    Die Rekrutierung der Trawniki erfolgte in Kriegsgefangenenlagern. Anschließend wurden sie zu Wachmännern ausgebildet und an verschiedenen Orten eingesetzt. Sie wurden registriert, erhielten Dienstausweise und wurden bewaffnet. Ihre Aufgabe war es, die im Lager befindlichen Menschen auf Schritt und Tritt, von der Ankunft der Transporte bis zur Verbrennung der Leichen, zu bewachen und zu begleiten. Sie waren gehalten, etwaige Fluchtversuche erforderlichenfalls auch unter Einsatz von Waffengewalt zu unterbinden. Hierbei wurden die konkreten Einsätze vor Ort reihum eingeteilt, sodass jeder Wachmann schichtweise an jeder wichtigen Stelle regulär zum Dienst eingeteilt wurde. Wenn neue Transporte ankamen, musste mithin jeder an seiner Stelle mitwirken, um ein reibungsloses Funktionieren der Mordmaschinerie sicher zu stellen. Damit waren alle Wachmänner Teil eines eingespielten Apparates zum Zweck der systematischen Ermordung möglichst vieler Menschen. Aus denselben Gründen kannten die Wachmänner das Schicksal der in den Transporten befindlichen Menschen ganz genau, von den alltäglichen Misshandlungen bis zu deren grausamer Ermordung.
    Im Zeitraum von März 1943 bis September 1943 kamen insgesamt 16 Transporte mit insgesamt 29779 Menschen in Sobibor an. Davon kamen 15 Transporte aus den Niederlanden und einer aus Polen. Von diesen Menschen wurden mindestens 28060 sofort nach der Ankunft in den Gaskammern getötet.
    Zu diesem Ergebnis kam die Kammer auf der Grundlage der gesamten erhobenen Beweise. Aus urkundentechnischer Sicht ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Dienstausweis des Angeklagten eine Fälschung sein könnte. Dieser war aber nur ein Indiz in einer Reihe von anderen Beweisanzeichen, wie insbesondere die von den Nazis erstellten Verlegungslisten, Waffenbestandslisten, Übergabelisten, die Dienstausweise anderer Wachmänner, die verlesene Zeugenaussagen und Urkunden.
    Hiernach war der Angeklagte notwendiger Teil der Mordmaschinerie und hatte sich damit abgefunden, an der grausamen Ermordung der in das Lager transportierten Menschen mitzuwirken. Es lag auch keine Notstandssituation vor, da sich der Angeklagte seiner Situation durch Flucht hätte entziehen können. Dies wäre ihm trotz etwaiger Risiken auch zumutbar gewesen.
    Bei der Strafzumessung ist die Kammer im Hinblick auf die Beihilfe von einem Strafrahmen von 3 Jahren bis 15 Jahren ausgegangen. In diesem Rahmen war das unvorstellbare Grauen für die betroffenen Menschen und ihre noch heute lebenden Angehörigen zu berücksichtigen. Andererseits war der Umstand zu sehen, dass die abzuurteilenden Taten inzwischen fast 68 Jahre zurückliegen und der Angeklagte, der von seiner Familie getrennt leben muss, auf Grund seines hohen Alters eine hohe Haftempfindlichkeit aufweist. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich in Israel in anderer Sache 8 Jahre in Auslieferungs- und Untersuchungshaft befand, die auf die hier verhängte Strafe nicht angerechnet werden kann.
    Daher hat die Kammer für den sogenannten „Kindertransport“ vom 11.06.1943 eine Einzelstrafe von 4 Jahren und 3 Monaten verhängt und für die weiteren 15 Transporte Einzelstrafen von jeweils 4 Jahren. Hieraus hat die Kammer unter nochmaliger Berücksichtigung aller Gesichtspunkte eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren gebildet.
    Die Kammer hat zu Beginn der mündlichen Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung frei von moralischen und oder politischen Erwägungen getroffen wurde und dass das Verfahren allein der Rechtsfindung im konkreten Fall und nicht der Aufarbeitung der deutschen Geschichte diente.
    Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

    Freitag, April 15, 2011

    Verleihung des Leo-Baeck-Preises 2011 an Bundespräsident Christian Wulff

    Presseerklärung des ZDJD

    „Der Leo-Baeck-Preis 2011 wird auf einstimmigen Beschluss der Gremien des Zentralrats der Juden in Deutschland an Bundespräsident Dr. h.c. Christian Wulff verliehen“, so der Präsident des Zentralrats, Dr. Dieter Graumann. Die Preisverleihung wird Mitte November in Berlin stattfinden.

    Der Zentralrat würdigt damit, so Graumann, das herausragende, von aufrichtiger Empathie und von tiefer Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, Israel und der Welt getragene Engagement des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland.

    „Bundespräsident Wulff hat sich in seiner noch kurzen Amtszeit als Mann des klaren Wortes und der deutlichen Signale präsentiert“, so der Zentralratspräsident. „Nicht nur mit seinem historischen Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz am 27. Januar 2011 und seiner aufrüttelnden und von großer Betroffenheit zeugenden Rede habe er ein unübersehbares Zeichen gesetzt, dass Ewiggestrige in Deutschland keine Zukunft mehr haben und die Verantwortung, die aus der schrecklichen Vergangenheit erwächst, auch für künftige, jüngere Politikergenerationen Bedeutung hat und Auftrag ist, der angenommen und mit Inhalten gefüllt wird. Aber auch bei freudigen Ereignissen wie der Einweihung der Neuen Synagoge in Mainz im September letzten Jahres hat Bundespräsident Wulff gezeigt, dass er das wiedererstarkende, zunehmend lebendiger, bunter und vielfältiger werdende jüdische Leben schätzt und die Bedeutung der Entscheidung von Jüdinnen und Juden, hier in Deutschland wieder jüdisches Leben aufzubauen, zu würdigen weiß.“

    „Auch mit seinem Besuch in Israel hat Christian Wulff ein herzliches, ausdrucksvolles Zeichen der Verbundenheit gesetzt, das weit über das übliche, manchmal allzu formelhaft geratende, Bekenntnis zum Existenzrecht Israels hinausging“, so Dieter Graumann.

    „Der Bundespräsident steht für ein Deutschland, das in der Gegenwart angekommen ist, seine Geschichte nicht vergisst, ein Deutschland, das der jüdischen Gemeinschaft verbunden ist, jüdische Gemeinden, Schulen, Kindergärten und Ausbildungsstätten als Bereicherung und Anlass zu großer Freude und Dankbarkeit begreift. Mit der Verleihung des diesjährigen Leo-Baeck-Preises bringt der Zentralrat seine Anerkennung und seinen Respekt für diese Haltung zum Ausdruck und fühlt sich geehrt, dass Christian Wulff diese Ehrung angenommen hat“, so der Präsident erfreut.

    Berlin/Frankfurt, den 15.4.11

    Freitag, März 04, 2011

    Frankreich: Sozialisten werfen UMP Antisemitismus vor

    Paris (Frankreich), 04.03.2011 – Der ehemalige Europaminister der Regierung Jospin, Pierre Moscovici (Foto), hat dem derzeitigen Europaminister Laurent Wauquiez antisemitische Untertöne vorgeworfen.
    Hintergrund ist eine Rede des Präsidenten Nicolas Sarkozy in der Kleinstadt Puy-en-Velay im Département Haute-Loire vom vergangenen Donnerstag, den 3. März 2011. Wauquiez ist neben seinem Ministeramt der dortige Bürgermeister. Sarkozy hatte dort die Bedeutung der christlichen Wurzeln der französischen Republik betont. Dieses Bekenntnis wurde von einigen Beobachtern der französischen Politik als Versuch interpretiert, der starken Konkurrenz des rechtsextremen Front National wenigstens teilweise den Wind aus den Segeln zu nehmen.
    Wauquiez hat sich im Anschluss über den möglichen sozialistischen Herausforderer Sarkozys bei den Präsidentschaftswahlen 2012, Dominique Strauss-Kahn, ausgelassen. Die Sozialisten führen derzeit einen Vorwahlkampf um die Kandidatur, die in einem Sympathisantenentscheid entschieden werden soll. Strauss-Kahn, der derzeitige Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds (IWF), gilt in diesem Rennen als Favorit. Wauquiez warf ihm im Zusammenhang mit seinem Dienstsitz in Washington vor, nicht in Frankreich verwurzelt zu sein. Er habe sicherlich ein sehr schönes Haus am Potomac River, aber das sei nicht mit einer Verwurzelung etwa in der Haute-Loire vergleichbar. Vorher hat bereits der Fraktionsvorsitzende der UMP in der Assemblée Nationale, Christian Jacob, Strauss-Kahn die Eigenschaft abgesprochen, das "Frankreich der Regionen" zu repräsentieren.
    Moscovici nannte die Äußerung Wauquiez' „schändlich“ und „skandalös“. Er werfe weder Jacob noch Wauquiez Antisemitismus vor, gehe aber davon aus, dass beide, insbesondere der Diplomhistoriker Wauquiez, wüssten, welche schlafenden Hunde sie mit ihren Andeutungen weckten. Dominique Strauss-Kahn entstammt einer jüdischen Familie.

    Mittwoch, Februar 02, 2011

    Zivilcourage-Preis 2011 an Künstler-Ehepaar Lohmeyer

    „Der Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage des Zentralrats der Juden wird im Jahr 2011 an das Ehepaar Horst und Birgit Lohmeyer aus Jamel in Mecklenburg-Vorpommern verliehen", so der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Dieter Graumann, nach einem Telefongespräch mit den Preisträgern am heutigen Tag. Die Gremien des Zentralrats hatten sich zuvor einstimmig für die Eheleute Lohmeyer als Preisträger in diesem Jahr ausgesprochen.

    Mit dem Paul-Spiegel-Preis 2011 soll das besondere Engagement und die Courage der Eheleute Lohmeyer im Kampf gegen die Neo-Nazis in Mecklenburg-Vorpommern gewürdigt werden. „Durch ihr überaus beherztes Auftreten in Jamel setzen sie nicht nur selbst ein ganz besonders mutiges Zeichen im Kampf gegen den Rechtsextremismus, sondern ermuntern ebenso andere, auch über die Landesgrenzen hinaus, nicht aufzugeben und sich den rechten Strukturen ohne Furcht und entschlossen entgegenzustellen", begründet Dr. Graumann die Auswahl der Preisträger. Die Verleihung des Preises ist in einer feierlichen Zeremonie am 12. Mai 2011 in Schwerin geplant.

    Der Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage des Zentralrats der Juden wird in Erinnerung an seinen früheren Präsidenten Dr. h.c. Paul Spiegel sel. A. und dessen unermüdliches Engagement gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, sowie für eine starke Bürgergesellschaft vergeben. Mit dem Preis, der mit 5.000,- Euro dotiert ist, ehrt der Zentralrat der Juden Menschen, die sich in besonderem Maße für eine lebendige und stabile Demokratie engagiert und Zivilcourage bewiesen haben.

    Der Preis wurde im Jahr 2009 zum ersten Mal an den sächsischen Polizeipräsidenten Bernd Merbitz in Dresden vergeben.

    Berlin, den 01. Februar 2011 Presseerklärung

    Quelle: www.zentralratdjuden.de/

    Montag, Januar 31, 2011

    Antisemit mit Maschinenpistole

    Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat gegen den 36-jährigen Sven K. wegen Maschinenpistolenbesitzes (plus 200 Schuss) und des Verdachts der Hehlerei (6 Baumaschinen aus Diebstählen) Haftbefehl erlassen.
    Sven K. ist wegen Körperverletzungsdelikten und Landfriedensbruchs mehrfach "vorbestraft", was in Strolchenkreisen eher ein Ritterschlag ist, im Firmenlogo seiner Abrissfirma Frakturschrift und ein zerschlagener Davidstern, denn ohne Antisemitismus fühlt sich der typische Rechtsextremist irgendwie nicht komplett - und ein paar Wehrsportübungen im Wald - genau das macht den passenden Strolch für die NPD, für die er seit 2009 im Kreistag sitzt.
    Die freie Gesellschaft kann und soll sich Narren leisten, aber nicht als Partei und schon gar nicht mit Maschinenpistolen.

  • Diskussion
  • Freitag, Januar 21, 2011

    Zeichen der Verständigung und des Dialoges zwischen Juden und Muslimen

    Presseerklärung des ZDJD

    Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sowie der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat zu Gast beim Direktorium des Zentralrats der Juden am 23. Januar 2011

    Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Dieter Graumann, freut sich, auf der kommenden Sitzung des Direktoriums am Sonntag, den 23. Januar 2011, den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sowie den Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, begrüßen zu können.

    „Der Zentralrat möchte mit diesem Gespräch ein positives Zeichen der Verständigung und des Dialoges setzen. Wir überlassen Polarisierern und Spaltern in unserer Gesellschaft nicht das Feld", betont Dieter Graumann. „Wo es Probleme und Defizite im Umgang zwischen unseren Gemeinschaften gibt, werden wir diese offen ansprechen. Dabei vergessen wir jedoch nicht, dass Juden und Muslime viel mehr miteinander verbindet als trennt", so der Präsident. „Vertrauen kann nur im Gespräch miteinander – nicht übereinander entstehen", betont Graumann. „Wir kündigen den Dialog mit den Muslimen im Land nicht nur an, wir beginnen ihn sofort", so der Präsident.

    Frankfurt a. M./Berlin, den 21.01.2011

    Mittwoch, November 10, 2010

    Betrug bei Holocaust-Entschädigungsfonds der Claims Conference

    ZDJD-Presseerklärung

    Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Mitglied des Board of Directors der Claims Conference, Professor Dr. Salomon Korn, äußerte sich entsetzt über den Betrugsskandal bei den von der Claims Conference verwalteten Entschädigungsfonds für Holocaust-Überlebende und lobte gleichzeitig die vollumfängliche Zusammenarbeit der Claims Conference mit den Ermittlungsbehörden.
    „Die Claims Conference ist selbst Opfer eines Betruges durch Mitarbeiter in ihrer Verwaltung geworden, die offensichtlich mit höchster krimineller Energie seit 1994 ihre Vertrauensstellung missbrauchten , indem sie Biographien fälschten und sich so Entschädigungsleistungen erschlichen haben", so Salomon Korn. „Als erste Verdachtsfälle offenbar wurden, wandte sich die Claims Conference Ende 2009 unverzüglich an die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden (FBI und Staatsanwaltschaft). Während der letzten 11 Monate unterstützte die Claims Conference die umfangreichen Ermittlungsarbeiten und trug ganz wesentlich zum Ermittlungserfolg und damit zur Aufklärung und schließlich Verhaftung der Täter bei", so Prof. Dr. Korn weiter.

    Professor Korn bekräftigte sein Vertrauen darauf, dass die Betrugsfälle nicht nur restlos aufgeklärt, sondern auch Maßnahmen ergriffen würden, um solch einen Vorgang für die Zukunft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

    Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist eine von 26 Mitgliedsorganisationen der Claims Conference. Vertreten wird der Zentralrat im Board of Directors der Claims Conference durch die Präsidentin Dr. Charlotte Knobloch und den Vizepräsidenten des Zentralrats Professor Dr. Salomon Korn.

    Berlin, den 10.11.2010

    Montag, Oktober 25, 2010

    Frankreich: Prozess um antisemitischen Foltermord unter Ausschluss der Öffentlichkeit

    Paris (Frankreich), 25.10.2010 – Vor dem Jugend-Schwurgericht des Départements Val-de-Marne im Umland von Paris wurde das Revisionsverfahren gegen die sich selbst „die Barbaren-Gang“ nennenden Angeklagten eröffnet, die 2006 einen 23-jährigen Juden drei Wochen lang in einer Sozialwohnung in der Banlieue langsam zu Tode gefoltert haben sollen. Eine Komplizin soll ihn angelockt haben, um ihn dann der Gang auszuliefern. Das Opfer wurde, in den letzten Atemzügen liegend, an einem Bahngleis gefunden und verstarb kurz darauf. Den zur Tatzeit noch nicht volljährigen Angeklagten aus dem islamischen Kulturkreis wird vorgeworfen, aus Hass gegen Israel und Antisemitismus gehandelt zu haben. Der Foltermord hatte wegen seiner beispiellosen Grausamkeit die Öffentlichkeit schockiert.
    Das Gericht hat nun angeordnet, dass die Anhörungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollen. Diese Ausnahme von der europaweit geltenden grundsätzlichen Öffentlichkeit des Strafverfahrens kann bei Jugendstrafverfahren angeordnet werden. Die Vertreter der Nebenklage haben dies allerdings kritisiert. Sie fordern, dass die Besprechung der Details des Verbrechens vor den Augen der Öffentlichkeit stattfindet, damit der Strafzweck der Generalprävention (Abschreckungswirkung) seine volle Wirksamkeit entfalten könne. Die Forderung dürfte aber auch damit im Zusammenhang stehen, dass der Hauptangeklagte Youssouf Fofana im ersten Prozess das Gericht provozierte, indem er keine Reue zeigte und sich im Gegenteil mit der Tat brüstete und das Opfer verhöhnte.

    Dienstag, September 28, 2010

    Bundesverfassungsgericht zur Zulässigkeit eines Antisemitismusvorwurfs

    "Herabsetzende Kritik der Bundeszentrale für Politische Bildung an einem wissenschaftlichen Aufsatz zum Thema Antisemitismus verfassungswidrig"

    Presseerklärung des BVerfG Nr. 87/2010 vom 28. September 2010

    Der Beschwerdeführer ist emeritierter Professor der Politikwissenschaft.

    Im Jahr 2004 erschien ein von ihm verfasster Aufsatz mit dem Titel „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“ in der Zeitschrift „Deutschland Archiv“, die ein privater Verlag im Auftrag der Bundeszentrale für Politische Bildung herausgibt. Der Aufsatz befasst sich u. a. mit der Verbreitung des Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung während der NS-Zeit. Er vertritt die These, dass die Mehrheit der Deutschen seinerzeit nicht antisemitisch eingestellt gewesen sei, sondern mit den verfolgten Juden sympathisiert habe, wobei er unter anderem von einer „deutsch-jüdischen Symbiose unter dem Hakenkreuz“ spricht. Erst nach Auslieferung der Zeitschrift an mehrere tausend Abonnenten erlangte die Leitungsebene der Bundeszentrale Kenntnis vom Inhalt des Aufsatzes und richtete ein Schreiben an die Abonnenten, in dem sie die Veröffentlichung des Aufsatzes, durch den sie ihre eigene Arbeit „desavouiert“ sehe, „außerordentlich“ bedauert und versichert, dass dieser „einmalige Vorgang“ sich nicht wiederholen werde; der Rest der betreffenden Auflage der Zeitschrift werde makuliert. Das Schreiben endet mit einer Entschuldigung gegenüber allen Lesern, „welche sich durch den Beitrag verunglimpft fühlen“.

    Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass die Ausführungen in dem Schreiben der Bundeszentrale für ihn als Mensch und Wissenschaftler rufschädigend und herabsetzend seien. Seine Klage vor den Verwaltungsgerichten blieb in allen Instanzen erfolglos.

    Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen und die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben. Das beanstandete Schreiben der Bundeszentrale für Politische Bildung wird ihrer Aufgabe, die Bürger mit Informationen zu versorgen und dabei Ausgewogenheit und rechtsstaatliche Distanz zu wahren, nicht gerecht und verletzt den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dieser Grundrechtsverletzung.

    Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

    Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch den Schutz vor solchen Äußerungen, die - ohne im engeren Sinne ehrverletzend zu sein - geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken. Eine solche Herabsetzung geht von der abschätzigen Kommentierung des Aufsatzes in dem beanstandeten Schreiben der Bundeszentrale aus. Er wird als Autor eines Aufsatzes dargestellt, der nicht mehr diskursiv erörtert, sondern nur noch makuliert werden kann, was vor dem Hintergrund des sensiblen Themas Antisemitismus eine erhebliche Stigmatisierung des Betroffenen mit sich bringen kann.

    Die Bundeszentrale kann sich nicht wie Private auf Grundrechte wie etwa die Meinungsfreiheit berufen. Sie nimmt als Anstalt des öffentlichen Rechts für die Bundesregierung die Aufgabe wahr, die Bürger mit solchen Informationen zu versorgen, deren diese zur Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung bedürfen. Im Rahmen ihres Bildungsauftrags ist sie zwar nicht gehalten, alle grundrechtlich geschützten Meinungen formal gleich zu behandeln; vielmehr kann sie insoweit auch wertende Unterscheidungen treffen, wobei es ihr grundsätzlich nicht verwehrt ist, Extremmeinungen am Rande des politischen Spektrums nicht zu berücksichtigen und sie als solche zu bezeichnen. Da zu den Grundlagen ihrer eigenen Tätigkeit auch das öffentliche Vertrauen in die eigene Glaubwürdigkeit und Integrität gehört, kann es ein legitimes Interesse darstellen, sich von ihr zuzurechnenden Beiträgen, die von dem Anspruch einer ausgewogenen Informationstätigkeit auffällig abweichen, weil sie etwa extreme oder extremistische Meinungen vertreten, zu distanzieren, um so die eigene Reputation wiederherzustellen. Hierbei hat die Bundeszentrale jedoch Ausgewogenheit und rechtsstaatliche Distanz zu wahren. Von vorneherein ausgeschlossen sind insoweit jedenfalls öffentliche Äußerungen gegenüber Einzelnen, die allein dem Bestreben dienen, eine behördliche Auffassung, namentlich eine von der Bundeszentrale für richtig gehaltene spezifische Geschichtsinterpretation zur Geltung zu bringen und als einzig legitim oder vertretbar hinzustellen.

    Hiervon ausgehend ist vorliegend nicht ersichtlich, dass das Schreiben der Bundeszentrale den ihr einzuräumenden Einschätzungs- und Handlungsspielraum wahrt und als nach den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderliche und angemessene Reaktion auf den Artikel des Beschwerdeführers angesehen werden kann. Weder hinsichtlich der Ankündigung der Makulierung noch hinsichtlich der Entschuldigung für eine etwaige Verunglimpfung ist erkennbar, dass diese von dem legitimen Zweck gedeckt sein können.

    Samstag, September 04, 2010

    Bundesbank beschließt Abberufung von Thilo Sarrazin

    Frankfurt am Main (Deutschland), 04.09.2010 – Die Deutsche Bundesbank hat am Donnerstag beschlossen, beim Bundespräsidenten die Abberufung des Vorstandsmitglieds und SPD-Politikers Thilo Sarrazin zu beantragen. Sarrazin war in den vergangenen Wochen durch seine Äußerungen über Einwanderer und Juden in heftige Kritik geraten.
    Bereits im Herbst letzten Jahres war Sarrazin die Zuständigkeit für das Bargeldressort entzogen worden, als er sich in einem Zeitschriften-Interview abfällig über muslimische Einwanderer geäußert hatte und behauptet hatte, sie wollten Deutschland „erobern“. Von Seiten der Bundesbank war ihm damals vorgeworfen worden, gegen seinen Arbeitsvertrag verstoßen zu haben, der vorschreibe, dass sich ein Vorstandsmitglied politisch zurückhaltend äußern und auf das Ansehen der Bundesbank Rücksicht nehmen müsse.
    Im Zuge der Vorstellung seines neuen Buches geriet Sarazzin dann wieder mit umstrittenen Äußerungen über Ausländer, deren fehlende Fähigkeit zur Integration und ihre tendenziell weniger intelligenten Nachkommen in die Schlagzeilen. Auch fiel er mit der Behauptung auf, „alle Juden teilen ein bestimmtes Gen“.
    Damit zog Sarrazin heftige Kritik von allen Seiten auf sich. Bundeskanzlerin Merkel nannte seine Äußerungen „völlig inakzeptabel“. Sarrazin würde ganze Bevölkerungsgruppen verächtlich machen und die Gesellschaft spalten. Der FDP-Vorsitzende Westerwelle sagte, Sarrazin „leitet Wasser auf die Mühlen des Rassismus und des Antisemitismus.“ Verteidigungsminister Guttenberg (CSU) wies darauf hin, dass „jede Provokation ihre Grenzen hat“. Kritik kam auch vom Zentralrat der Juden. Sarrazins Berliner SPD-Kreisverband leitete ein Parteiausschlussverfahren ein.
    Zuletzt hielt der Bundesbankvorstand Sarrazin nicht mehr für tragbar und forderte ihn am Dienstag in einer Anhörung auf freiwillig zurückzutreten. Als er der Aufforderung nicht nachkam, beschloss der Vorstand jetzt einstimmig, beim Bundespräsidenten einen Antrag auf die Abberufung Sarrazins zu stellen.

    Sonntag, Juni 27, 2010

    Angriff auf jüdische Tanzgruppe

    Presseerklärung der Union Progressiver Juden

    Mit Empörung reagiert die Union progressiver Juden auf den Angriff auf die Tanzgruppe der Liberalen jüdischen Gemeinde Hannover. "Wir sind insbesondere darüber bestürzt, weil von den Steinwürfen jüdische Zuwanderer aus der früheren UdSSR getroffen wurden, die in Deutschland Schutz vor Antisemitismus gesucht haben", erklärte Dr. Jan Mühlstein, Vorsitzender der Union progressiver Juden in Deutschland. "Durch den Angriff haben sich leider die Warnungen bewahrheitet, dass im Windschatten der zunehmen aggressiv vorgetragenen Israelkritik eine neuer islamischer Antisemitismus wächst", ergänzte Mühlstein. "Deshalb begrüßen wir die eindeutigen Stellungnamen zum Beispiel der Schura Niedersachsen Landesverband der Muslime und Türkischen Gemeinde in Niedersachsen sowie des Rates der Religionen Hannover wie auch die zahlreichen Solidaritäts-bekundungen, die die Liberale jüdische Gemeinde Hannover erreicht haben."

    Die Union progressiver Juden hält es allerdings für notwendig, es nicht bei Worten zu belassen und Konsequenzen bei der familiären, religiösen und schulischen Erziehung zu ziehen. Hierzu müssen insbesondere Organisationen und religiöse Verbände, die sich im interkulturellen und interreligiösen Dialog engagieren, einen Beitrag leisten. Die Union progressiver Juden ist bereit, sich an diesen Gesprächen zu beteiligen.

    Die Union progressiver Juden anerkennt, dass die Sicherheitsbehörden die Täter schnell ermittelt haben, und erwartet, dass auch die Hintergründe des keineswegs spontanen antisemitischen Angriffs aufgeklärt werden.

    Donnerstag, April 01, 2010

    Geschichtsunterricht: Der "Judenboykott"

    Judenboykott

    aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie (Stand 201106)

    Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933

    Als Judenboykott bezeichneten die Nationalsozialisten den Boykott jüdischer Geschäfte, Warenhäuser, Banken, Arztpraxen, Rechtsanwalts- und Notarskanzleien, den das NS-Regime am 1. April 1933 in ganz Deutschland durchführen ließ. Damit nahm die Regierung die seit dem 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 geplante Verdrängung der deutschen Juden aus dem Wirtschaftsleben erstmals durch eine reichsweite, gezielt nur gegen sie gerichtete Maßnahme in Angriff.

    Inhaltsverzeichnis

    1 Vorgeschichte
    1.1 Kaiserzeit
    1.2 Weimarer Republik / Evangelische Kirche: Stimmungsmache und Aufruf zum Judenboykott
    1.3 Judenverfolgung ab 1933
    1.4 Reaktionen im Ausland
    2 Der Boykott
    2.1 Planung
    2.2 Durchführung
    3 Reaktionen und Folgen
    3.1 Direkt und indirekt Betroffene
    3.2 Bevölkerung
    3.3 Christen und Kirchen
    3.4 Weiteres Vorgehen des Regimes
    4 Historische Einordnung
    5 Einzelbelege
    6 Literatur
    7 Weblinks
    Vorgeschichte
    Kaiserzeit
    Boykotte jüdischer Unternehmen und Geschäfte gab es im deutschen Antisemitismus seit etwa 1890. Der Vater Arnold Zweigs etwa musste sein Sattlergeschäft 1897 aufgeben, weil das preußische Kriegsministerium Festungskommandanten Einkäufe bei jüdischen Kaufleuten verbot.

    Weimarer Republik / Evangelische Kirche: Stimmungsmache und Aufruf zum Judenboykott
    1921: Der evangelische Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer aus der bayerischen Landeskirche veröffentlicht die antisemitische Studie Das jüdische Problem. Darin ruft der Pfarrer öffentlich zum Boykott jüdischer Geschäfte auf [1].
    31.7.1921 - Das Hannoversche Sonntagsblatt betrachtet es als seine Aufgabe und Schuldigkeit, ein offenes Wort über die "ganze große jüdische Gefahr für unser Volk und Vaterland" zu sprechen, da die übrigen Tageszeitungen von den jüdischen Anzeigengeschäften abhängig seien und deshalb nicht so deutlich sprechen können. Die vom Landesverband der evangelischen Inneren Mission herausgegebene Zeitung (Schriftleiter: Pastor Wilhelm Lueder) ruft das Volk auf, sich die jüdische "Herrschaft" nicht gefallen zu lassen und fordert ein Verbot der Betätigung von Juden in der Presse. Das Hannoversche Sonntagsblatt (Auflage: 66.000) vertritt auch in der Folgezeit einen kämpferischen Antisemitismus [2].
    August 1921 - In Ankündigungen zum Sonntag der "Judenmission" tauchen in evangelischen Zeitungen ab 1921 Begriffe auf wie "Fremdkörper im Volksleben" oder Forderungen, den Antisemitismus zu "fördern".[3].
    Juni 1924 - Evangelische Dekanatsbezirkssynode in München - Dekan Hermann Lembert warnt 184 Synodale vor der jüdischen Weltverschwörung.
    1.9.1924 - Sitzung des Evangelischen Bundes in München. Der Vorsitzende, Studienprofessor Konrad Hoefler, fordert den Kampf gegen das Judentum:Der völkische Kampf gegen das Judentum sei "vollständig berechtigt und notwendig", "der Abwehrkampf gegen rassische und geistige Überfremdung sei christliche Pflicht"[4].
    1927 - Das überregionale evangelische Wochenblatt Licht und Leben möchte, dass es eine gesellschaftliche Sitte gibt, durch die verhindert wird, dass deutsche "Arier" bei Juden kaufen. Ein Jahr zuvor schrieb Licht und Leben bereits von der "wohlbegründeten Abneigung der Völker" gegen die Juden, die "geachtet" werden müsse. Die in Elberfeld (ab 1929: Wuppertal-Elberfeld) erscheinende Zeitung (Auflage: 18.000) wird von Pastor Joseph Gauger, Inspektor der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland, herausgegeben [5].
    In der Weimarer Republik begingen SA-Trupps seit 1925 immer öfter Gewalttaten gegen Juden, ihre Geschäfte, Wohnungen und Einrichtungen und bedrohten jüdische Freiberufler, Ärzte und Anwälte. Dies zwang einige jüdische Betriebe zum Rückzug aus manchen Städten. Boykottiert und schikaniert wurden seit der Weltwirtschaftskrise gezielt erfolgreiche mittelständische Warenhäuser in jüdischem Besitz, um deren Konkurrenz loszuwerden. In Essen riefen Gauleiter Josef Terboven und seine „National-Zeitung“ seit 1929 zum Boykott jüdischer Geschäfte auf. Während kleine jüdische Läden und jüdische Angestellte zunehmend schikaniert und diskriminiert wurden, erwog die nationalsozialistische Parteipresse seit 1931 öfter einen landesweiten Boykott.[6]

    Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens versuchte solche Boykottaufrufe als „Geschäftskrieg“ juristisch zu bekämpfen. Sein Anwalt Hans Lazarus argumentierte in einem solchen Verfahren 1931:[7]

    Im Wirtschaftskampf ist der Boykott eine erlaubte Waffe, soweit seine Zielsetzung oder seine Mittel nicht gegen die guten Sitten verstoßen. [...] Gemeingut der Rechtsprechung ist es, dass der Boykott nicht die Vernichtung des Gegners bezwecken darf. Letzteres jedoch ist das offen eingestandene Ziel des völkischen Boykotts gegen die Juden. Die Juden werden wegen einer außerhalb des Wirtschaftslebens liegenden Tatsache verfolgt und mit Boykott bedroht. Und diese Tatsache können die Juden niemals ändern.
    In zahlreichen Gerichtsverfahren bemühten sich die Opfer antisemitischen Boykotts Rechtsschutz zu erlangen. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte war uneinheitlich. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten verhinderte eine grundsätzliche Entscheidung des Reichsgerichts.[8]

    Judenverfolgung ab 1933
    Kurz nach Adolf Hitlers Ernennung zum deutschen Reichskanzler am 30. Januar 1933 begannen neue Angriffe auf Juden. Besonders die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO), der Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand unter Theodor Adrian von Renteln und SA-Abteilungen unter Otto Wagener agitierten nun verstärkt gegen das „Börsenkapital”, über das sich mittelständische deutsche Unternehmer bei der neuen Regierung beschwert hätten.

    Ab Ende Februar 1933 griffen SA-Trupps erneut jüdische Geschäftsinhaber an, plünderten ihre Läden, misshandelten ihre Inhaber, verschleppten und ermordeten einige davon. Nach den Reichstagswahlen vom 5. März, bei denen die NSDAP die absolute Mehrheit verfehlte, nahmen solche unorganisierten Übergriffe zu. Bis Ende März wurden jüdische Geschäfte, Arzt- und Anwaltspraxen in einigen deutschen Großstädten zwangsweise geschlossen, ihre Inhaber teilweise beraubt und vertrieben. Am 9. März nahmen SA-Angehörige im Berliner Scheunenviertel Dutzende osteuropäischer Juden fest und misshandelten sie in den Kellern ihrer Stationen. In Magdeburg besetzten SA-Angehörige jüdische Geschäfte, Kaufhäuser und Hotels und schikanierten deren Kunden oder Gäste.[9] Am 11. März 1933 organisierte die nationalsozialistische Führung des Freistaates Braunschweig unter Dietrich Klagges und Friedrich Alpers den sogenannten „Warenhaussturm“ in Braunschweig.[10] In Straubing wurden am 15. März einige Juden entführt und ermordet. In Göttingen wurden am 28. März einige jüdische Läden und die örtliche Synagoge angegriffen und beschädigt. Innenminister Wilhelm Frick telegrafierte am 31. März an alle Polizeidienststellen, in SA-Uniformen verkleidete Kommunisten seien die Täter. In vielen weiteren Städten wurden bis Ende März Gerichtsgebäude gestürmt, jüdische Richter und Anwälte aus Gerichtssälen und Büros gezerrt und meist verprügelt, um die Justiz so vom „System jüdischer Rechtsverdreher zu säubern“.[11]

    Am 9. März forderte Hitler gemäß früherer deutschnationaler Forderungen von Frick eine „bewusst völkische Gesetzgebung“ gegenüber den osteuropäischen Juden mit einem Einwanderungsverbot und Teilausweisungen nicht eingebürgerter Juden. Am 16. März befolgte Frick die Anweisung mit einem sinngemäßen Runderlass an alle Landesregierungen.[12]

    Reaktionen im Ausland
    In der britischen und US-amerikanischen Presse wurden die Gewaltaktionen der Nationalsozialisten frühzeitig aufmerksam registriert. Besonders gegen antijüdische Maßnahmen wurden Proteste laut. Jüdische Organisationen in den USA, Großbritannien und Palästina rechneten seit Mitte März mit den im NS-Hetzblatt „Der Stürmer“ angedrohten Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten und berieten Gegenmaßnahmen. Dabei wurden auch Boykotte gegen deutsche Wirtschaftsunternehmen öffentlich diskutiert. Ein Führungsmitglied des American Jewish Congress erklärte am 13. März 1933 mit Blick auf die Wirtschaftskrise, in der Deutschland sich noch befand:[13]

    Ein bellum judaicum bedeutet für Deutschland Boykott, Untergang und Verderben, bedeutet das Ende der deutschen Hilfsquellen und das Ende aller Hoffnungen auf den Wiederaufstieg Deutschlands.
    Am 18. März beschlossen die amerikanischen Jewish War Veterans, deutsche Waren und Dienstleistungen zu boykottieren; andere Organisationen in den USA und in Großbritannien folgten.[14] Zwar trug ein Artikel der britischen Boulevardzeitung Daily Express am 24. März 1933 die plakative und irreführende Überschrift Judea declares war on Germany („Judäa erklärt Deutschland den Krieg“), berichtete aber nur über die Beratung einiger Londoner Kaufleute über einen eventuellen Boykott gegen deutsche Waren.[15] Am 27. März wies die Organisation britischer Juden den Plan ausdrücklich zurück.[16] Man wollte eine Konfrontation mit dem NS-Regime möglichst vermeiden, um deutsche Juden nicht der Vergeltung seitens der Nationalsozialisten auszusetzen. Auch die jüdische Gemeinschaft in Palästina erklärte in einem Telegramm an die Reichskanzlei, dass keine jüdische Organisation in Palästina einen Handelsboykott beabsichtige noch dazu autorisiert sei.

    Hermann Göring sandte Mitte März einige namhafte Vertreter der deutschen Juden nach London, wo sie gegen geplante antideutsche Initiativen protestieren sollten. Zudem telegrafierten Kurt Blumenfeld, Präsident der Zionistischen Vereinigung für Deutschland, und Julius Brodnitz, Präsident des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, am 26. März an das American Jewish Committee in New York City: Man protestiere gegen antideutsche Demonstrationen und Rundfunksendungen und verlange energische Bemühungen, solche Aktionen zu unterbinden. Damit erhofften sie sich, die Nationalsozialisten zu beschwichtigen und von ihren Plänen abzubringen.

    Die meisten jüdischen Organisationen in den USA waren gegen Massendemonstrationen und Wirtschaftssanktionen gegen Deutschland. Sie wollten die US-Regierung damit nicht in Zugzwang bringen. Doch am 27. März folgte der American Jewish Congress den Jewish War Veterans mit landesweiten Protesten in mehreren Großstädten der USA. Auch Kirchen- und Gewerkschaftsführer beteiligten sich daran. Auch ohne einen förmlichen Boykottaufruf verbreitete sich eine Kaufverweigerung für deutsche Produkte in der amerikanischen Öffentlichkeit.

    Der Boykott
    Planung

    NS-Propagandaplakat zur Vorbereitung des Judenboykotts, März 1933
    Seit Mitte März plante das NS-Regime, die Gewaltbereitschaft der SA in staatliche Bahnen zu lenken und ihr ein Betätigungsfeld zur Ausgrenzung und Vertreibung von Juden zu geben. Hitler erlaubte dem fanatischen fränkischen Gauleiter und Herausgeber des „Stürmers“, Julius Streicher, den Judenboykott ideologisch mit antisemitischen Hetzartikeln vorzubereiten. Dieser gründete ein „Zentralkomitee zur Abwehr der jüdischen Gräuel- und Boykotthetze“.

    Am 24. März wurde die Kritik ausländischer Medien im Kabinett ausführlich erörtert und zum Vorwand für den geplanten Boykott genommen. Dessen Datum und weitere Details beschloss Hitler bei einem Treffen von NS-Führern auf seinem Berghof bei Berchtesgaden am 26. März. Hitlers Beweggründe zitierte Joseph Goebbels in seinem Tagebuch:[17]

    Wir werden gegen die Auslandshetze nur ankommen, wenn wir ihre Urheber oder doch wenigstens Nutznießer, nämlich die in Deutschland lebenden Juden, die bisher unbehelligt blieben, zu packen bekommen. Wir müssen also zu einem groß angelegten Boykott aller jüdischen Geschäfte in Deutschland schreiten.
    Binnen vier Tagen organisierte Goebbels mit seinem Referentenstab die Durchführung. Er formulierte den Boykottaufruf, der am 29. März im Völkischer Beobachter Nr. 88 und der übrigen staatlich gelenkten Presse erschien: Samstag, Schlag 10 Uhr, wird das Judentum wissen, wem es den Kampf angesagt hat.[18] Mit dem Boykott jüdischer Geschäfte sollten „sich die ausländischen Juden eines Besseren besinnen, wenn es ihren Rassegenossen in Deutschland an den Kragen geht.“[19] „Im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung” werde der Verkauf jüdischer Waren am 1. April ganz verboten. [20] Dies sei eine Antwort auf vorgebliche jüdische „Weltgreuelhetze“ gegen das „neue Deutschland”. Er hielt in seinem Tagebuch Bedenken in der Partei fest, die er überging:[21]

    Viele lassen die Köpfe hängen und sehen Gespenster. Sie meinen, der Boykott werde zum Krieg führen. [...] Wir halten in kleinem Kreise eine letzte Besprechung ab und beschließen, daß der Boykott morgen in aller Schärfe beginnen soll.
    Die Boykottdauer blieb offen. Wegen der unbefristeten Ankündigung kaufte die Bevölkerung in den letzten Märztagen in Städten wie München umso mehr in Geschäften ein, die für den Boykott vorgesehen waren.

    Am selben Tag informierte Hitler das Kabinett über den Plan: Er rechtfertigte die SA-Gewalt als „Abwehraktion“. Der Staat müsse den Boykott organisieren, „weil sonst die Abwehr aus dem Volk heraus von selbst gekommen wäre und leicht unerwünschte Formen angenommen hätte.“ Dies stieß auf Vorbehalte bei einigen deutschnationalen und parteilosen Regierungsmitgliedern, die vor Schadenersatzklagen, Umsatzsteuerausfällen und bereits sinkenden Passagierzahlen auf deutschen Überseedampfern warnten. Hitler versprach daraufhin, den Boykott zunächst auf den 1. April 1933 zu beschränken. Wenn das Ausland doch nicht so heftig reagiere, wie seine konservativen Minister befürchteten, könne man ihn ja am 4. April wieder aufnehmen.[22] Da der Geschäftsboykott mit den antisemitischen Parteizielen der DNVP übereinstimmte, erhoben die Minister keinen weiteren Einspruch. Nur Reichspräsident Paul von Hindenburg versuchte vorübergehend, Hitler zur Rücknahme des Plans zu bewegen.

    Am 31. März stellte Hitler der britischen und US-amerikanischen Regierung ein Ultimatum, sich gegen antideutsche Proteste in ihren Ländern zu stellen. Falls das Ausland seine „Greuelhetze“ nicht einstelle, werde der Boykott am Folgetag beginnen und nach einer Wartefrist von drei Tagen am 4. April fortgesetzt werden. Vor einer Massenversammlung der NSDAP verkündete auch Goebbels dieses Vorgehen am Abend. So wurde die Fiktion einer „Verteidigung“ gegen das „internationale Finanzjudentum“ aufrechterhalten und zugleich zur Erpressung des Auslands eingesetzt.

    Tatsächlich erklärten Großbritannien und die USA sich am selben Abend bereit, die geforderte Erklärung abzugeben. Doch Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath gab bekannt, dass Hitlers Entscheidung feststehe: Der Judenboykott werde am 1. April stattfinden.[23]

    Durchführung

    Boykottaktion der Nazis gegen jüdische Geschäfte, vor dem Berliner Kaufhaus Wertheim. Filmleute warten auf Publikum.
    Am 1. April 1933, einem Samstag, um 10 Uhr – an einigen Orten schon am Abend vorher – standen überall in deutschen Städten uniformierte, teils auch bewaffnete SA-, HJ- und Stahlhelm-Posten vor jüdischen Geschäften, Arztpraxen und Anwaltskanzleien und hinderten etwaige Kunden den ganzen Tag lang daran, diese zu betreten. Schilder und Plakate forderten: Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht bei(m) Juden! - Die Juden sind unser Unglück! - Meidet jüdische Ärzte! - Geht nicht zu jüdischen Rechtsanwälten![24] Diese Parolen verbreiteten andere Uniformierte derselben Gruppen auch mit Sprechchören und über Lautsprecherwagen in den Straßen.


    SA-Mitglieder bekleben die Schaufenster eines Berliner jüdischen Geschäfts
    Doch das Regime hatte übersehen, dass dieser Tag auf einen Samstag und damit auf den jüdischen Sabbat fiel, an dem gläubige Juden möglichst nicht arbeiten. Daher blieben viele jüdische Geschäfte ohnehin geschlossen oder schlossen früh. So blockierten die SA-Trupps oft verriegelte Räume und Schaufenster.[25] Diese wurden in unbelebten Seitenstraßen und ländlichen Gegenden – wie schon in den Wochen zuvor – oft zertrümmert, die Auslagen geplündert und die Inhaber misshandelt. Dies betraf trotz Verbots auch Geschäfte ausländischer, besonders osteuropäischer Juden.

    Unter Berufung auf erwartete „Störungen der Rechtspflege“ hatten die Reichskommissare der Justizverwaltungen von Bayern und Preußen am Vortag „in überraschender Einheitlichkeit“ Hausverbote für jüdische Rechtsanwälte erteilt und Richter zwangsbeurlaubt.[26] In einigen Städten brachen bewaffnete SA-Trupps in Gerichtsgebäude ein und vertrieben noch anwesende jüdische oder für sie „jüdisch“ aussehende Personen.[27] Sie besetzten auch die Geschäftsstelle des Reichsverbandes der deutschen Industrie und zwangen den jüdischen Geschäftsführer und jüdische Vorstandsmitglieder zum Ausscheiden. Mutige Kunden jüdischer Geschäfte wurden gezielt eingeschüchtert, mit Gewalt und Repressalien bedroht. In einigen Städten wie dem sächsischen Annaberg drückten SS-Angehörige ihnen einen Stempel mit der Inschrift „Wir Verräter kauften bei Juden“ ins Gesicht.

    Abends wurde der Boykott abgebrochen und die Wachposten abgezogen. Er wurde auch wegen der meist passiven Bevölkerung nicht wie geplant nach einer Dreitagespause fortgesetzt, sondern am 4. April offiziell für beendet erklärt.[28]

    Reaktionen und Folgen
    Direkt und indirekt Betroffene
    Der Boykott betraf potentiell etwa 60 Prozent aller deutschen Juden, die im Bereich Handel und Verkehr, weit überwiegend im Wareneinzelhandel, tätig waren. Im Ergebnis schädigte und zerstörte er vor allem Kleingewerbebetriebe, während er Großunternehmen und Bankhäuser kaum in Mitleidenschaft zog.

    Jedoch stieg vor und nach dem Boykott der Druck auf jüdische Vorstandsmitglieder enorm, ihre Ämter niederzulegen, um das Unternehmen vor Boykottfolgen zu „schützen“. Im Vorfeld entließen manche Unternehmen Juden, um so dem angekündigten Boykott zu entgehen. Die Karstadt AG z.B. entließ zum 1. April 1933 sämtliche jüdischen Angestellten fristlos, weil sie „keine vollwertigen und gleichberechtigten Staatsbürger“ seien und daher auch „keine vollwertigen Mitarbeiter“ mehr sein könnten. Sechs jüdische Aufsichtsratsmitglieder traten zurück, um die Entlassungen nicht billigen zu müssen.

    Jüdische Familienunternehmen wie die Warenhausketten von Oscar und Leonard Tietz, Woolworth und andere waren besonders betroffen. Einige der Tietz-Filialen wurden in Großstädten des Ruhrgebiets schon am 8. März für zwei Tage zur Schließung gezwungen.[29] Am 12. März wurden ihre Kunden in Hamburg zeitweise bedroht.[30] Am 31. März drängten die deutschen Bankiers im Aufsichtsrat drei jüdische Vorstandsmitglieder des Unternehmens Tietz mit Drohungen zur Aufgabe ihrer Ämter und ihrer Aktienanteile. Daraufhin zogen diese sich am 3. April aus dem Vorstand zurück. Albert-Ulrich Tietz wurde am 1. April an Leib und Leben bedroht und floh in die Niederlande. Er bot seinen Aktienanteil im Paket für ein Drittel des Wertes zum Verkauf an. Die Dresdner Bank senkte den Kurs der Tietzaktien nochmals auf ein Zehntel des Angebotpreises und kaufte sie dann auf. Tietz konnte den Erlös des Zwangsverkaufs von nur noch 800.000 Mark nicht mehr in das Nachbarland mitnehmen.[31] Anschließend vermittelte Wilhelm Keppler, Hitlers „Beauftragter für Wirtschaftsfragen“, dem Unternehmen einen Sofortkredit, um 14.000 Angestellten ihren Arbeitsplatz zu sichern. Am 11. Juni benannten die Hauptaktionäre Commerzbank, Dresdner Bank und Deutsche Bank das Unternehmen um in „Westdeutsche Kaufhof AG“; das Unternehmen von Oscar Tietz wurde zu Hertie unter Georg Karg als Geschäftsführer, später Eigentümer. Demnach diente der Boykott der „Arisierung“, die ab 1937 auch staatlicherseits systematisch intensiviert wurde.

    Das Verlagshaus Ullstein war vom Ein-Tages-Boykott ausgenommen, wurde aber danach heimlich boykottiert und musste Mitarbeiter entlassen, die vielfach in der NSDAP Mitglieder waren und sich bei Hitler beschwerten.[32]

    Seit Januar 1933 hatten sich viele Unternehmen in Deutschland mit Zeitungsannoncen, Hinweisschildern und öffentlichen Erklärungen zu einem „deutschen Geschäft“ oder „christlichen Unternehmen“ erklärt, um ihre Zustimmung zum neuen Regime zu signalisieren und durch Diskriminierung von jüdischen Partnern oder Teilhabern erwartete Umsatzeinbußen zu vermeiden. Die Arbeitsgemeinschaft deutsch-arischer Fabrikanten der Bekleidungsindustrie e.V. (ADEFA) warb ab April 1933 für die Produkte der ihr angeschlossenen Unternehmen mit dem „Gütesiegel“ Garantiert arisch. Auch eine neugebildete Arbeitsgemeinschaft deutscher Unternehmer der Spinnstoff-, Bekleidungs- und Lederwirtschaft („Adebe“) versuchte, das antijüdische Gesellschaftsklima für eigene ökonomische Interessen auszunutzen. Viele gewöhnliche Kunden kauften unter dem Eindruck des Boykotts ihre Waren nur noch in besonders ausgewiesenen „Deutschen Geschäften“.

    Bevölkerung

    NS-Organ Westdeutscher Beobachter vom 3. April 1933 mit Schlagzeilen zum Boykott jüdischer Geschäftsleute
    Es bildeten sich vielerorts schweigende Menschenmengen auf den Straßen, die das Geschehen reserviert beobachteten. Entgegen den Erwartungen der Machthaber verhielten sie sich selten feindselig gegen die boykottierten Geschäftsinhaber, manchmal solidarisch. So durchschritt die 92-jährige Großmutter Dietrich Bonhoeffers in Berlin den SA-Kordon, um das „Kaufhaus des Westens“ zu betreten. Auch in katholischen Gegenden zeigten Bürger Gesten von Hilfsbereitschaft, Mitleid und Betroffenheit. Der Zeitzeuge Gerhard Durlacher erinnert sich an seine Eindrücke in Baden-Baden:[33]

    Durch die Menge der Zuschauer drängten wir uns nach vorn. Einige sehen uns stirnrunzelnd an, andere gelassen oder verstört. Aber es sind auch manche dabei, die grinsen, als bereite ihnen das Schauspiel Vergnügen. [...] Hochgeschossene Jungen, ein gutes Stück größer als ich, rufen die Parolen aus, ältere Leute in muffigen, abgetragenen Kleidern murmeln zustimmend oder kopfschüttelnd.
    Das verbreitete Zögern der Bevölkerung hing auch mit der innerhalb weniger Tage improvisierten Durchführung des Boykotts zusammen. Welche Geschäfte als „jüdisch“ gelten sollten - die mit jüdischen Namen, Inhabern und/oder größeren jüdischen Kapitalanteilen? -, blieb vielfach unklar. Auch die möglichen Folgen von Geschäftsschädigungen für „arische“ Mitinhaber und Angestellte und für die deutsche Wirtschaft allgemein trugen dazu bei, dass die deutsche Bevölkerung den Boykott kaum aktiv unterstützte, bisweilen Unmut darüber äußerte und in manchen Orten ignorierte.

    Am 11. April 1933 schrieb der aktive Pazifist und Reiseschriftsteller Armin T. Wegner einen offenen Protestbrief an Hitler gegen die staatliche Judenverfolgung. Dies ist der einzige bekannt gewordene öffentliche Protest eines nichtjüdischen Deutschen gegen die damalige nationalsozialistische Judenpolitik. Die Gestapo nahm Wegner fest und folterte ihn. Bis Ende Dezember 1933 wurde er in verschiedenen KZs inhaftiert. Danach emigrierte er nach Großbritannien.

    Christen und Kirchen
    Der Boykott jüdischer Geschäfte war ein erster großer Testfall für die Haltung der Christen im nationalsozialistischen Deutschland zu den Juden und zur Regierung. Kirchenhistoriker Klaus Scholder resumiert:[34]

    Kein Bischof, keine Kirchenleitung, keine Synode wandte sich in den entscheidenden Tagen um den 1. April gegen die Verfolgung der Juden in Deutschland.
    Stattdessen rechtfertigte der Brandenburger Bischof Otto Dibelius in einer am 4. April in den USA ausgestrahlten Rundfunkansprache die Aktionen als notwendige staatliche „Verteidigung“, die in „Ruhe und Ordnung“ verlaufen sei. In einem Brief an alle Brandenburger Pastoren bekannte er sich wenige Tage darauf als Antisemit und warb um „volle Sympathie“ für die Terrormaßnahmen der Nationalsozialisten:[35]

    Man kann nicht verkennen, dass bei allen zersetzenden Erscheinungen der modernen Zivilisation das Judentum eine führende Rolle spielt.
    Allenfalls konvertierte Juden galten als schützenswert. Die Deutschen Christen wollten jedoch auch diese Judenchristen aus der Kirche ausschließen.

    Die deutschen römisch-katholischen Bischöfe schwiegen ebenfalls. Dabei hatte Oscar Wassermann, Direktor der Deutschen Bank, auf Initiative des Berliner Dompropstes Bernhard Lichtenberg ihren Vorsitzenden Kardinal Adolf Bertram am 31. März um kirchlichen Protest gegen den Boykott gebeten. Bertram lehnte diesen in einem Rundbrief an die Erzbischöfe von Köln, München, Freiburg, Paderborn und Bamberg vom 31. März 1933 ab, da er als Einzelperson keinen Auftrag dazu habe und die Begründung des Boykotts nicht beurteilen könne. Er führte aus:[36]

    Meine Bedenken beziehen sich 1. darauf, daß es sich um einen wirtschaftlichen Kampf in einem uns nicht nahestehenden Interessenkreise handelt; 2. daß der Schritt als Einmischung in eine Angelegenheit erscheint, der das Aufgabengebiet des Episkopates weniger berührt...Daß die überwiegend in jüdischen Händen befindliche Presse gegenüber den Katholikenverfolgungen in verschiedenen Ländern durchweg Schweigen beobachtet hat, sei nur nebenbei berührt.
    Kardinal Michael von Faulhaber schrieb an den damaligen vatikanischen Staatssekretär Eugenio Pacelli, den späteren Papst, warum die Kirche nicht für die Juden eintrete:[37]

    Das ist zur Zeit nicht möglich, weil der Kampf gegen die Juden zugleich ein Kampf gegen die Katholiken werden würde und weil sich die Juden selber helfen können, wie der schnelle Abbruch des Boykotts zeigt.
    „Ungerecht und schmerzlich“ fand er, dass auch seit mehreren Generationen als „gute Katholiken“ geltende getaufte Juden vom Staat als Juden behandelt wurden und ihre Berufe aufgeben mussten. Auf die Anfrage eines katholischen Zeitungsredakteurs, warum die Kirche nicht offen erkläre, dass Menschen nicht wegen ihrer Rasse verfolgt werden dürften, antwortete er:

    Für die Kirche bestehen weit wichtigere Gegenwartsfragen, denn Schule, der Weiterbestand der katholischen Vereine, Sterilisierung sind für das Christentum in unserer Heimat noch wichtiger.
    Man dürfe der Regierung keinen Anlass bieten, „die Judenhetze in eine Jesuitenhetze umzubiegen.“[38]

    Nur Einzelne wie der katholische Pfarrer Josef Knichel verurteilten den Boykott in einer Predigt. Er wurde deshalb verhaftet: Er habe „... in der Kirche Angelegenheiten des Staates in einer öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung und Erörterung gemacht, indem er von der Kanzel herab der Gemeinde den Judenboykott als eine verwerfliche Maßnahme der Regierung hinstellte und äußerte, jeder, der an dem Judenboykott teilgenommen habe, könne nicht mehr gültig beichten, bis die ganze Schuld wiedergutgemacht sei“.[39]

    Hauptgründe für die Weigerung der Kirchenleitungen, für die Juden einzutreten, waren der traditionelle christliche Antijudaismus beider Konfessionen, die lange Duldung rassistischer Tendenzen und Gruppen im eigenen Bereich und die Anerkennung des Obrigkeitsstaates als göttliche Setzung, dessen Politik man als Christ nicht widersprechen dürfe.[40]

    Weiteres Vorgehen des Regimes
    Für die Nationalsozialisten war der Boykott ein erster Testlauf für ihr später oft wiederholtes Vorgehen: Aus der Partei wurden „radikale“ Schritte gegen Juden gefordert und gewaltsam unkoordiniert umgesetzt. Diese ordnete das Regime dann relativ kurzfristig als reichsweit koordinierte Aktionen an, angeblich um Volksunruhe in kontrollierte Bahnen zu lenken. Bei der mehr oder weniger improvisierten Durchführung des offiziellen Schein-„Kompromisses“ hielt sich Hitler zurück, damit etwaige Exzesse, Scheitern und Auslandsproteste nicht ihm, sondern „Volkes Stimme“ angelastet werden konnten. Damit wurden anschließend Gesetze zur Judenverfolgung begründet.[41]

    Am 7. April wurde das am 24. März von Wilhelm Frick im Kabinett vorgelegte Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erlassen. Nach dem sogenannten Arierparagraph darin waren „nichtarische Beamte“ in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen. Mit dieser ersten legalen rassistischen Definition konnten die Juden dann weiter entrechtet werden.[42] Das von Justizminister Franz Gürtner im Blick auf die Gewaltaktionen der SA im März vorbereitete Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sollte jüdischen Rechtsanwälten die Zulassung aberkennen, betraf aber wegen einer von Paul von Hindenburg erwirkten Ausnahmeregelung für Teilnehmer am Ersten Weltkrieg nur etwa 30 Prozent (1.388 von 4.585) von ihnen.[43] Am 14. Juli 1933 kam das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit hinzu. Dadurch drohte 16.000 „Ostjuden“ der Entzug ihrer deutschen Staatsangehörigkeit.

    Mit den neuen Gesetzen begann die staatliche Entrechtung, berufliche Ausgrenzung und wirtschaftliche Enteignung zahlreicher jüdischer Bürger, die mit ihren Angehörigen ab 1918 eingebürgert worden waren. Ihnen wurde ab April die Approbation als Rechtsanwälten verweigert, und jüdische Steuerberater wurden aus den Steuerausschüssen der Finanzämter ausgeschlossen. Ab Sommer 1933 sperrten und beschlagnahmten lokale Behördenvertreter in vielen Dörfern und Kleinstädten das Vermögen jüdischer Emigranten und zahlreicher klein- und mittelständischer Betriebe; Gerichte entzogen auch prominenten Juden die Staatsbürgerschaft.

    Der „Zentralauschuss“ Streichers setzte als innerparteiliche „Boykottbewegung“ die Behinderung jüdischen Geschäftslebens teilweise monatelang heimlich fort, schikanierte Zuliefer- und Abnehmerunternehmen jüdischer Betriebe und nötigte Unternehmen zur Entlassung jüdischer Mitarbeiter oder jüdische Inhaber zum Verkauf ihres Unternehmens. Rudolf Heß, den Hitler am 21. April 1933 zum „Stellvertreter des Führers“ ernannte, ordnete die Vorlage ihrer Veröffentlichungen an, um alle weiteren Schritte zu kontrollieren. Das stoppte den „Aktionismus“ unterer Parteiebenen.

    Im Juli 1933 erklärte Hitler die Phase der Revolution für beendet. Nach vorübergehendem Abflauen wurde die Judenverfolgung 1935 erneut intensiviert: Boykotte wurden angedroht, Gewaltübergriffe unterstrichen die Drohungen, um die Betroffenen und ihre Kunden einzuschüchtern. Schließlich organisierte Julius Streicher einen weiteren Geschäftsboykott während der Weihnachtszeit. Zuvor entzogen die Nürnberger Gesetze vom 16. September 1935 den deutschen Juden weitere Bürgerrechte. Diese Entrechtung war die Ausgangsbasis für ihre weitere Ausgrenzung und Verfolgung.

    Historische Einordnung
    Die NS-Forschung bewertet Ursachen und Ziele des Judenboykotts und Hitlers Rolle dabei verschieden. Die „Intentionalisten“ betonen die planmäßige Umsetzung des 25-Punkte-Programms zur angestrebten Entfernung der Juden aus der deutschen Gesellschaft; die „Funktionalisten“ dagegen betonen stärker ihren improvisierten, auf äußere und innere Sachzwänge reagierenden Charakter.[44]

    Uwe Dietrich Adam beschrieb den Boykott 1972 als innenpolitisches „Ventil“ für unzufriedene NSDAP-Mitglieder, die sich ab Januar 1933 einen größeren Karrieresprung und schärfere antikapitalistische Maßnahmen erhofft hatten. Ihre ungeplanten „wilden“ Aktionen hätten das Regime in gewissen Zugzwang gebracht, ihre Erwartungen zu erfüllen. Ihr Terror sei aber auch ein „zweckdienliches Mittel, um politische Entscheidungen vorzubereiten oder voranzutreiben“, gewesen.[45] Auch der Journalist Heinz Höhne sah nicht Hitlers programmatischen Willen als Ursache des Boykotts, sondern den „Druck der antisemitischen Ultras“ auf ihn. Er sei „von den Boykottnachrichten aus dem Ausland bereits in Panikstimmung“ versetzt worden.[46]

    Der Ventilfunktion widersprachen z.B. Eberhard Jäckel und Julius Schoeps. Sie stellten heraus, dass der Boykott lokale Einzelaktionen gerade reichsweit organisierte und legitimierte. Er sei der „Startschuss“ für die legalisierte Verfolgung der deutschen Juden gewesen und habe auf ihre ökonomische Ausgrenzung und Unterdrückung gezielt.[47] Auch Peter Longerich sah im Judenboykott den Höhepunkt der seit Anfang März 1933 geschürten antijüdischen Übergriffe, die planmäßig eine antisemitische Stimmung hätten erzeugen sollen, damit die Bevölkerung die ersten antijüdischen Gesetze vorbehaltlos akzeptierte. Der Boykott sei ein „vielseitig einsetzbares Instrument im Kampf um die Eroberung und Festigung der Macht“ der Nationalsozialisten gewesen: Er habe antikapitalistische Aktionen aus der Parteibasis auf jüdische Unternehmen gelenkt, die internationale Kritik daran verstummen lassen, weitere antijüdische Gesetze vorbereitet und von wirtschaftlichen Problemen abgelenkt, an denen man Juden die Schuld geben konnte.[48] Saul Friedländer betont Hitlers Eigeninitiative:[49]

    Der Einfluss der Radikalen sollte jedoch nicht überschätzt werden. Sie zwangen Hitler nie dazu, Maßnahmen zu ergreifen, die er nicht ergreifen wollte.
    Eine spontane antisemitische Pogrom-Welle bewirkte der Boykott nicht. Wolfgang Wippermann zufolge kann man daher unmöglich „für diese Zeit von einer weit verbreiteten aggressiven Antipathie gegen die Juden in der deutschen Bevölkerung [...] sprechen.“[50] Auch für Hans Mommsen und Dieter Obst war die Aktion diesbezüglich ein eklatanter Misserfolg.[51] Friedländer spricht von einem „prinzipiellen Scheitern“ des Boykotts auch darin, das gesamte jüdische Geschäftsleben schwer zu schädigen. Aufgrund seiner Furcht vor ökonomischen Folgeschäden und Gegenmaßnahmen des Auslands habe Hitler im Sommer 1934 Hjalmar Schacht zum Wirtschaftsminister ernannt und damit dessen Linie einer Nichteinmischung in jüdische Geschäftstätigkeit für die nächsten Jahre bejaht.[52]

    Einzelbelege
    Clemens Vollnhals, Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945-1949, München 1989, S. 123
    Arndt, a.a.O., S. 31
    Arndt, a.a.O., S. 214
    Mensing, a.a.O., S. 83
    Arndt, a.a.O., S. 214.216
    Avraham Barkai: Vom Boykott zur Entjudung. 1988, S. 24.
    Struan Robertson, The „Judenboykott“ of 1st April 1933
    Cord Brügmann: Flucht in den Zivilprozess. Antisemitischer Wirtschaftsboykott vor den Zivilgerichten der Weimarer Republik (= Dokumente. Texte. Materialien, Bd. 72). Metropol, Berlin 2009, ISBN 978-3-940938-22-0.
    dokumentiert bei Struan Robertson, The „Judenboykott“ of 1st April 1933
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    Heinz Höhne: Gebt mir vier Jahre Zeit – Hitler und die Anfänge des Dritten Reiches. Ullstein Verlag, Berlin 1996, S. 110
    Edwin Black: The Transfer Agreement. The Dramatic Story of the Pact Between the Third Reich and Jewish Palestine. New York und London 1984, S. 10-14; Dietrich Aigner: Das Ringen um England. Das deutsch-britische Verhältnis, die öffentliche Meinung 1933-1939. Bechtle Verlag, München und Esslingen 1969, S. 221.
    Artikeltext (englisch)
    Holocaustreferenz: „Jüdische Kriegserklärungen“; Rechtsextreme Legenden und Mythen: Jüdische Kriegserklärungen an Nazi-Deutschland (Link nicht mehr abrufbar)
    Ralf Georg Reuth (Hg.): Joseph Goebbels Tagebücher, München 2003, ISBN 3-492-21412-6, Band 2, S. 786 (26. März 1933)
    Klaus W. Tofahrn: Chronologie es Dritten Reiches, Primus Verlag, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-463-3, S. 24
    Bundeszentrale für politische Bildung: Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft, Teil 2
    DTV-Atlas Weltgeschichte, Band 2, München 1999, S. 483
    Ralf Georg Reuth (Hrsg.): Joseph Goebbels Tagebücher. 3. Auflage, Piper, München 2003, ISBN 3-492-21412-6, Band 2, S. 789 (31. März 1933).
    Akten der Reichskanzlei– Die Regierung Hitler, Bd. 1, Teil 1, Boppard 1983, S. 270-276f.
    Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden, S. 30–38.
    Klaus W. Tofahrn: Chronologie es Dritten Reiches. Primus Verlag, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-463-3, S. 23.
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    Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich.. Droste, Düsseldorf 2003, ISBN 3-7700-4063-5, S. 39.
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    Dokument: 1933 Judenboykott - Karstadt Dismissal Letter of Fritz Wolff
    Martin Schlu (Unterrichtsreihe „Nationalsozialismus“ 2001): Die Enteignung der Kaufhauses Hermann Tietz „HERTIE“ (Link nicht mehr abrufbar)
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    Jüdische Geschichte und Kultur: Verbannung /Boykott
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    zitiert nach Saul Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden. Band I, S. 55.
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    Dokument: Lettera del card. di Monaco Faulhaber al Card. Pacelli, 10 aprile 1933 (Link nicht mehr abrufbar)
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    Gotthard Jasper: Die gescheiterte Zähmung. Wege zur Machtergreifung Hitlers 1930 - 1934. Neue historische Bibliothek Band 270, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1986, ISBN 3-518-11270-8, S. 159f.
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    Israel Gutman (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust, München 1998, S. 689.
    Peter Longerich: Politik der Vernichtung.. Piper, München 1998, ISBN 3-492-03755-0, S. 30ff.
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    Literatur
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    Cord Brügmann: Flucht in den Zivilprozess. Antisemitischer Wirtschaftsboykott vor den Zivilgerichten der Weimarer Republik (= Dokumente. Texte. Materialien, Bd. 72). Metropol, Berlin 2009, ISBN 978-3-940938-22-0.
    Helmut Genschel: Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich, Duehrkohp & Radick, 2001, ISBN 3-89744-086-5.
    Johannes Ludwig: Boykott. Enteignung. Mord. Die "Entjudung" der deutschen Wirtschaft, Piper Verlag GmbH, 1992, ISBN 3-492-11580-2.
    Martin Münzel: Die jüdischen Mitglieder der deutschen Wirtschaftselite 1927-1955. Verdrängung – Emigration – Rückkehr, Schöningh, 2006, ISBN 978-3-506-75625-1.
    Monika Richarz (Hrsg.): Jüdisches Leben in Deutschland III. 1918 - 1945. Selbstzeugnisse zur Sozialgeschichte, Deutsche Verlags-Anstalt, 1982, ISBN 3-421-06094-0.
    Frank Sparing: Boykott - Enteignung - Zwangsarbeit. Die „Arisierung“ jüdischen Eigentums in Düsseldorf während des Nationalsozialismus, Stadt Düsseldorf, 2000, ISBN 3-9805963-8-9.
    Weblinks
    Commons: Judenboykott – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
    Susan Stanelle, Anett Sommerfeld, Fanny Thiele: Die nationalsozialistische Judenverfolgung - Die Verfolgung in der Zeit von 1933 - 1938
    Struan Robertson (Universität Hamburg): The "Judenboykott" of 1st April 1933 (englisch, mit damaligen Fotos)
    Dirk van Laak: „Arisierung“ und Judenpolitik im 'Dritten Reich'. Zur wirtschaftlichen Ausschaltung der jüdischen Bevölkerung in der rheinischwestfälischen Industrieregion (pdf, 1988) (326 kB)
    Digitales Archiv Marburg: Originaldokumente zum Judenboykott 1. April 1933
    Der Spiegel, 1. April 2008: 75 Jahre „Machtergreifung“ 1933: Kampfansage vor dem Kaufhaus
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